WM-Fan Bengt Kunkel „Dem Fußball könnte ein Erdbeben bevorstehen“

Doha · Bengt Kunkel ist mit Vorfreude und Skepsis nach Katar gereist. Dann wurde der Kölner Student von der Polizei in die Katakomben des Stadions geführt, weil er eine Regenbogenbinde trug. Inzwischen lockerte Katar das Verbot. Wie der 23-Jährige darauf reagiert.

 Die Deutschland-Fans Bengt (l.) und Jan Kunkel stehen bei der Mobilen Fan-Botschaft des DFB in Doha. Bengt Kunkel wurde ein Regenbogen-Armband in einem Stadion abgenommen.

Die Deutschland-Fans Bengt (l.) und Jan Kunkel stehen bei der Mobilen Fan-Botschaft des DFB in Doha. Bengt Kunkel wurde ein Regenbogen-Armband in einem Stadion abgenommen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Bekannt wurde der Kölner Sportstudent Bengt Kunkel durch seinen öffentlichen Regenbogenprotest im WM-Stadion und den daraus folgenden Konsequenzen. Kunkel sagt im Gespräch mit unserer Redaktion, er sei wegen des Fußballs nach Katar gereist, weil er sich unbedingt mal den Traum von einer Weltmeisterschaft erfüllen wollte. Dennoch sieht er es als wichtig an, vor Ort ein Zeichen zu setzen. „Vor allem, wenn die Fifa sagt, dass im Stadion die Regenbogenflagge erlaubt ist, aber dann nicht zu ihren Worten steht“, so Kunkel. Für ihn gehe es darum, den homosexuellen Menschen, die aufgrund der Gesetze nicht nach Katar reisen können, eine Stimme zu verleihen und sichtbar zu sein.

Außerdem wollte Kunkel sich ein eigenes Bild vom umstrittenen WM-Gastgeberland machen und herausfinden, ob die Berichte der deutschen Medienlandschaft über Katar auch der Wahrheit entsprechen, wie er sagt. Daher stand es für ihn selbst nie zur Debatte, die Spiele gar nicht zu verfolgen. „Ich kann aber jeden Fan verstehen und habe großen Respekt davor, wenn sich Menschen zu einem Boykott entscheiden“, sagt Kunkel.

Dass Katar die Regenbogenfarben in den WM-Stadien jetzt doch erlaubt, macht Kunkel stolz: „Die Nachricht war schon ein schönes Erlebnis. Dass die Fifa sich mit Nachdruck dazu entschieden hat, die Regenbogenflagge zu erlauben, das zeigt, dass unser Protest vor Ort richtig ist und nicht ungesehen bleibt. Das ist tatsächlich ein schönes Gefühl.“

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Foto: dpa/Tom Weller

Kunkel betont, dass der WM-Standort Katar auch eine Chance für die Region sein kann: „Die Meschen hier freuen sich, dass der Fußball auch mal in diesem Teil der Welt zu Gast ist. Gerade die Menschen aus dem arabischen Raum und aus Indien freuen sich total, bei einer Weltmeisterschaft ihre Flagge zeigen zu können. Auch die Südamerikaner bringen eine ganz eigene Fußball-Kultur mit. Beim Spiel Brasilien gegen Serbien war einfach eine komplette Fußballparty. Es ist auch einfach mal schön zu erleben, wie so eine Stimmung bei einer Weltmeisterschaft ist.“

Trotzdem überwiegen für Kunkel die negativen Aspekte des WM-Standortes. „Retrospektiv hätte es einfach nicht passieren dürfen, weil das Land noch nicht bereit dafür ist. Grundzüge an Menschenrechten müssen gegeben sein und sind deshalb indiskutabel bei der Vergabe einer Weltmeisterschaft. Wenn diese nicht gewährleistet sind, kann ein Land auch keine Weltmeisterschaft austragen. Darüber hinaus ist es auch fraglich, ob Katar infrastrukturell überhaupt für solche Menschenmassen gemacht ist. Das Land hat nur circa drei Millionen Einwohner und es kommen wahnsinnig viele Menschen dazu, die die Infrastruktur auslasten. Es wäre wohl besser gewesen die WM gemeinsam mit Nachbarländern auszutragen, weil Katar an der ein oder anderen Stelle wirklich überfordert wirkt“, so Kunkel.

Das Vorgehen der Fifa kann Kunkel nicht verstehen: „Bei der Fifa läuft seit Jahren einiges schief. Versprechungen werden nicht eingehalten. Die Fifa stellt sich gegen Verbände, Vereine und Spieler, die den Fußball tragen und denen wird der Mund verboten. Schlussendlich brauchen die Verbände die Fifa, aber die Fifa braucht auch die Verbände. Wenn man da nicht anfängt miteinander zu arbeiten, dann könnte dem Fußball ein Erdbeben bevorstehen“, so Kunkel.

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