Heimatstadt des Superstars Messi überragt in Rosario alles

Rosario · Die argentinische Industriestadt fiebert dem WM-Finale entgegen. Nicht nur bei seinem ersten Klub hoffen alle auf die Krönung der Weltkarriere ihres berühmtesten Sohnes. Ein Ortsbesuch.

In Rosario zieren zahlreiche Grafitti von Messi Gebäude. Auch die Skyline der Stadt ist geprägt von einem riesigen Bild des Superstars.

In Rosario zieren zahlreiche Grafitti von Messi Gebäude. Auch die Skyline der Stadt ist geprägt von einem riesigen Bild des Superstars.

Foto: Tobias Käufer

Der Bolzplatz auf dem alles begann, hat nun bunte Mauern. Auf ihnen sind Bilder zu sehen, die Lionel Messi in den verschiedenen Epochen seiner Karriere zeigen. Gleich daneben gibt es einen Schrein für „Gauchito Antonio Gil“, den argentinischen Volksheiligen, der von allen verehrt, aber von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird. Am geöffneten Gitter zu Ehren „Gauchitos“ hängen zwei argentinische Fahnen mit dem Namen Messi. Wer „Gauchito“ um einen Gefallen bittet, kann sich so gleich auch an Messi wenden. Angebet werden in Argentinien eben nicht nur offiziell zugelassene Heilige.

Alles in Rosario erinnert in diesen Tagen an Lionel Messi. Hier ist der Weltstar aus Argentinien vor 35 Jahren geboren. Und hier verehren sie ihn wie sonst nirgendwo auf der Welt. „Irgendwann kommen sie alle zurück“, sagt Gabriela Bodo von Messis Jugendklub Club Atlético Newell‘s Old Boys, im Gespräch mit dieser Zeitung. Dieses markante Selbstbewusstsein ist typisch für das raue, harte Argentinien.

In Rosario weiß man um die Qualität des Fußballs. Messi ist zwar der bekannteste, aber längst nicht der einzige Star, der es von hier aus bis ganz nach oben geschafft hat. Rosario ist deshalb längst so etwas wie die heimliche Fußballhauptstadt Argentiniens. Von hier aus starteten Weltkarrieren wie die des legendären WM-Trainers von 1978, Cesar Luis Menotti, dessen Bilder aus dieser Zeit mit wehendem Haar und Zigarette Kult sind. Aber auch der aktuelle Coach Lionel Scaloni ist hier geboren. Und viele andere promiente Trainer und Fußballer, das Stadion trägt den Namen von Marcelo Bielsa. „Tata“ Martino stammt von hier.

Lionel Messi - Superstar vom FC Barcelona
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Das ist Lionel Messi

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Foto: AFP/ODD ANDERSEN

Über allem aber ragt Lionel Messi. In der Straße, wo alles anfing – der „Lavalleja“ im Viertel Las Heras – haben sie sogar die Bordsteinkante weiß-blau angemalt. Hier wurde Messi geboren. Asiatische Film-Teams filmen das schlichte Gebäude, auf dessen Rückseite ein großes Graffiti aufgemalt wurde: „Gracias“ steht darauf zu lesen. Und sie fragen jeden, den sie vor die Kamera bekommen. Messi bringt der Stadt, die sonst unter negativen Schlagzeilen leidet wie keine andere in Argentinien, Glanz und Glamour. Und mehr als das: Er verschafft ihr Würde und Anerkennung. Mindestes einmal im Jahr kommt er über die Feiertage und schaltet ab. „Das ist für Rosario aber auch die Newell‘s Old Boys ein super kostenloses Marketing“, freut sich Gabriela Bodo. Messi bekennt sich zu Rosario und Rosario zu ihm.

Messi ist überall zu sehen. Er springt den Betrachter von den Häuserwänden, als Trikot, von den Titelseiten an. Messi ist Rosario, Rosario ist Messi. „Alle, die irgendwann mal für die Newell‘s Old Boys gespielt haben, haben eine enge Verbindung zum Klub. Und sie halten diese Verbindung, auch wenn sie raus in die Welt reisen und Karriere machen. Sie kommen alle irgendwann wieder zurück, weil sie sich hier heimisch fühlen“, sagt Gabriela Bodo. Sie ist die Kultursekretärin des Klubs für den Messi als Kind die ersten Tore schoss. Fotos aus dieser Zeit sind selten, aber auch die wenigen die es gibt, haben es als Wandmalerei auf die Mauern Rosarios geschafft.

Dort sind Kultur, Politik und Gesellschaft viel enger miteinander verwoben als in Deutschland. Auf dem weitläufigen Gelände gibt es Grillplätze für die traditionellen Asados. Auf einer Sitzbank wird an Frauen erinnert, die Gewalt zum Opfer fielen. Und die „Großmütter der Plaza de Mayo“, einer Menschenrechtsorganisation, die während der dunklen Zeit der rechtsextremen Militärdiktatur, als tausende Menschen verschwanden, mutig demonstrierten, sind auf einer Außenwand des Stadions verewigt.

Während in Deutschland darüber diskutiert wird, ob Fußball und Politik zusammengehören, ist das in Argentinien gar nicht mehr zu trennen. Politiker sind im Fußball in Führungspositionen tätig, es gibt bisweilen auch undurchsichtige Verbindungen zu den Ultras.

Niemand in Rosario denkt darüber nach, was passieren würde, wenn es am Sonntag gegen die Franzosen schief geht. Das Drehbuch ist aus der Sicht der „Rosarinos“ geschrieben. Und Argentinien wäre nicht Argentinien, wenn es kein episches Ende hätte. Im letzten WM-Spiel seiner langen erfolgreichen Karriere sieht es den ultimativen emotionalen Spannungsbogen vor. Den Pokal in die Höhe stemmen und damit endgültig zum Nationalhelden werden wie Evita Peron oder Diego Maradona. Oder gemeinsam in einem Meer von Tränen der Enttäuschung ertrinken und untergehen.

Pressestimmen zu Argentiniens Finaleinzug
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Pressestimmen zu Argentiniens Finaleinzug

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Foto: AP/Natacha Pisarenko

„Wir alle hoffen, dass er am Sonntag in seinem letzten WM-Spiel den Pokal in die Höhe stemmt“, sagt Bodo. „Alle hier gönnen es ihm, alle wünschen es ihm. Es ist einfach das perfekte Ende einer historischen Geschichte.“ Die in Rosario begann und die vielleicht in ein paar Tagen mit einem Besuch von Messi mit WM-Pokal erst in Buenos Aires und dann auch noch in Rosario zu Ende gehen könnte. Das Märchen vom kleinen Jungen, der hinauszog, um die Welt zu erobern, hätte sich erfüllt. Und alle in Rosario sind irgendwie dabei gewesen.

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