Ausgelassene Feste Arabische Fans feiern bei der WM gemeinsam die Erfolge

Doha · Bei der Weltmeisterschaft kommen Menschen aus vielen Ländern der Gastgeber-Region zusammen. Teams wie Saudi-Arabien und Marokko sorgen für Überraschungserfolge. Auch Schadenfreude spielt bei den Festen eine Rolle.

 Fans von Saudi-Arabien feiern nach dem Sieg ihrer Mannschaft gegen Argentinien auf der Straße.

Fans von Saudi-Arabien feiern nach dem Sieg ihrer Mannschaft gegen Argentinien auf der Straße.

Foto: AP/Andre Penner

Vor dem Khalifa International Stadium ist die Stimmung nach dem 1:2 der deutschen Mannschaft wunderbar. Die große japanische Fangemeinde kann ihr Glück kaum fassen, auf diese Sensation seiner „Samurai Blue“ hat das ganze Land nur zurückhaltend gehofft. Mit den Japanern freuen sich im großen internationalen Besucher-Mix dieses WM-Spiels aber auch Tunesier, Katarer, Saudis und Marokkaner. Arabien feiert, die Weltmeisterschaft an sich, aber auch die bislang erstaunlich guten Auftritte ihrer Nationalmannschaften. Dass Favoriten dabei vom Sockel gestoßen werden, macht den Genuss wie so oft im Sport noch etwas intensiver.

„Zwei Dinos des Weltfußballs, Argentinien und Deutschland, die zusammen sechs WM-Titel gewannen, wurden gestürzt von Saudi-Arabien und Japan“, eröffnet ein Reporter des Sportsenders beIN eine Live-Reportage aus der Fanzone vor dem Stadion. Dass die Japaner, mit denen die Länder der arabischen Halbinsel im Asiatischen Fußball-Verband vereint sind, die Deutschen geschlagen haben, fühlt sich fast wie ein eigener Erfolg an.

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Foto: dpa/Tom Weller

Ein katarischer Journalist lässt bei Twitter eindeutig Schadenfreude durchklingen: „Das passiert, wenn man sich nicht auf Fußball konzentriert.“ Eine Anspielung auf die Debatte um die One-Love-Binde und die Geste der deutschen Spieler, sich auf dem Teamfoto vor dem Anpfiff den Mund zuzuhalten. Der Kommentar sammelt in wenigen Stunden über 300.000 Likes ein.

Einige Stunden später im Souq Waqif, dem traditionellen Handels- und Marktviertel von Doha, geht die Party weiter. Argentinische Fans tragen die Ghutra, die Kopfbedeckung aus leichtem Tuch und schwarzer Kordel, in ihren Landesfarben. Bei der Begegnung mit Mexikanern wird es laut, ihre Teams treffen am Samstag aufeinander. Es herrscht ausgelassene Fröhlichkeit, vielleicht weil auch nirgendwo ein Tropfen Alkohol aufzutreiben ist.

In einer Seitengasse spielen Jungen Fußball, zwei von ihnen im Ronaldo-Trikot, der eine trägt das portugiesische, der andere das ManUnited-Hemd. Ein deutscher Fan hat seine Fahne zusammengerollt. Er ist aus Bochum und findet etwas Trost darin, dass der japanische Siegtorschütze Takuma Asano für seinen VfL in der Bundesliga spielt.

Gäste aus aller Welt feiern hier, aber arabische Farben werden mit besonders großem Stolz getragen. Neben der Fahne oder Trikots der Katarer dominieren die roten Flaggen und Hemden von Marokko und Tunesien. Die grüne Saudi-Fahne ist seltener, wird aber noch begeisterter hochgehalten und geschwenkt, wenn sich der Anlass bietet. Schließlich ist dem Team der größte Coup mit dem 2:1 über Argentinien gelungen, während Tunesien und Marokko jeweils mit einem 0:0 die Favoriten aus Dänemark und Kroatien blamierten. Es macht offenbar besonders viel Spaß, den Gegnern aus Europa, wo an der WM herumgenörgelt wurde, die lange Nase zu zeigen.

In den Nachrichten sendete ein einheimischer TV-Sender am Mittwochabend zunächst einen Ausschnitt aus der Rede der Ungarin Katalin Cseh, die im Europa-Parlament am Montag von der „WM der Schande“ sprach, und direkt im Anschluss das Siegtor der Japaner gegen Deutschland. Man ist genervt, dass die erste WM, die in einem der 22 arabischen Länder stattfindet, die Anerkennung verweigert wird.

Die viel kritisierte WM hat den großen Vorteil, dass die Fans aus vielen Ländern sich in Feier-Hotspots überhaupt begegnen können. Bei allen anderen WM-Turnieren lagen die Spielorte weit voneinander entfernt, selbst bei der WM 2006 in Deutschland war die Distanz zwischen Hamburg und München eher kurz im Vergleich zu den Turnieren in Südafrika, Brasilien und Russland, wo zwischen einzelnen Spielstätten Tausende Kilometer lagen. Internationaler als in Doha war eine Fußball-Weltmeisterschaft wegen der kurzen Wege noch nie.

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Auf die Frage, wie sie die Atmosphäre empfinden, beginnen die meisten Einheimischen oder die Langzeit-Gastarbeiter zu lächeln. So etwas hätten sie nicht nie erlebt, sagen sie. Tatsächlich wirkt das Land sehr weltoffen.

Die WM führt besonders die Araber aus der Golfregion wieder enger zusammen, nachdem Katar lange von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen Ländern mit strikten Sanktionen bestraft worden war. Nun trinken ihre Fans im Souq zusammen Tee, schwärmen über ihre Teams und deren Spieler und hoffen gemeinsam auf die nächsten Siege. Ein Student aus dem Oman, der wie tausende Landsleute nur für die WM-Zeit zum Geldverdienen nach Katar gekommen ist, traut sich, recht offen zu sprechen. „Es gibt arabische Nationalisten, die sagen, diese WM müssen alle unsere Länder unterstützen, um es dem Westen zu zeigen. Andere sagen, alle islamischen Länder sollten dies tun. Ich finde, dass die ganze Welt es tun sollte. Es ist doch eine Weltmeisterschaft.“

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