Löw betroffen, Seeler findet es "sehr schade" Deutscher Fußball nach Niersbach-Rücktritt unter Schock

Der deutsche Fußball steht unter Schock. Bundestrainer Joachim Löw reagierte betroffen auf den Rücktritt von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, DFB-Vize Harald Strutz bezeichnete diesen sogar als verfrüht.

Joachim Löw ist erschüttert

Joachim Löw ist erschüttert

Foto: dpa, bt gfh

Niersbachs Intimfeind Theo Zwanziger reagierte dagegen mit betonter Gelassenheit. "Das ist Sache des DFB und von Wolfgang Niersbach. Das müssen sie selbst entscheiden", sagte der 70-Jährige, der die Affäre mit ausgelöst hat, dem SID.

Löw zeigte sich derweil "natürlich sehr betroffen, überrascht und sehr traurig. Unabhängig von allen juristischen Fakten, die es gibt, denke ich, dass der Wolfgang ein fantastischer Präsident für uns war", sagte der sichtlich angegriffene Löw: "Er hat den Fußball immer geliebt, er hat für den Fußball alles getan. Er war für uns jederzeit ein hervorragender Ansprechpartner und deswegen tut es mir persönlich sehr, sehr leid, dass er zurückgetreten ist."

Strutz hätte sich sogar "gewünscht, er hätte noch ein bisschen gewartet". Man befinde sich "immer noch im Raum der Spekulationen", erklärte der Präsident des Bundesligisten FSV Mainz 05 im Interview mit dem ZDF und Sky Sports News HD. Der Rücktritt Niersbachs mache ihn "sehr betroffen, aber so, wie er es begründet hat, kann ich es nachvollziehen, auch wenn es mich traurig macht"

"Mich hat der Schritt von Wolfgang Niersbach sehr betroffen gemacht", sagte DFB-Vizepräsident Peter Frymuth unserer Redaktion. "Die Übernahme der politischen Verantwortung beinhaltet auch Dinge, für die er nachweislich nichts kann. Mit Niersbach verliert der DFB einen Spitzenfunktionär mit unheimlich hoher Fachkompetenz und großer Menschlichkeit. Er hat sich in seinem Charakter in all den Jahren nicht verändert." Frymuth betonte, durch den Rücktritt von Niersbach seien die Ermittlungen rund um die WM 2006 keineswegs beendet. "Wir werden aufklären, was es aufzuklären gibt. Nichts wird unter den Teppich gekehrt."

Auch die Bundesliga reagierte betroffen. "Ich bin schon überrascht und auch ein wenig betroffen. Ich habe sehr viel mit Wolfgang zu tun gehabt, er ist ein guter Bekannter, ein Freund von mir und unserer Familie. Das tut mir persönlich sehr leid", sagte Bayern Münchens Sportvorstand Matthias Sammer bei Sport1. Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz erklärte, Niersbach habe "den Weg für einen Neubeginn geebnet - für diesen Schritt gebührt ihm großer Respekt. Das gesamte Wirken von Wolfgang Niersbach für den Deutschen Fußball-Bund und den Fußball allgemein allerdings nur auf diese Affäre zu reduzieren, ist nicht in Ordnung und wird ihm in keiner Weise gerecht. Fest steht aber auch, dass jetzt lückenlos aufgeklärt werden muss, damit der Fußball in Deutschland nicht weiter Schaden nimmt."

Deutschlands Fußball-Ikone Uwe Seeler betonte bei Sky Sport News HD, er fände den Rücktritt "sehr schade. Ich hätte ihn gerne länger als Präsident gesehen." Der 1974er-Weltmeister Paul Breitner lobte Niersbach bei Sport1 für "den Anstand, nicht auf irgendwelche Bauernopfer auszusein. Ich kann nur sagen, Respekt. Das war notwendig und richtig so."

Reaktionen zum Rücktritt von Wolfgang Niersbach
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Auch die Politik geht derweil davon aus, dass es mit dem Rücktritt von Niersbach nicht getan sein wird. "Anstatt eine Agentur und eine Kanzlei nach der anderen mit der Schadensbegrenzung zu beauftragen, sollten der DFB und die Beteiligten, allen voran die Herren Beckenbauer, Netzer, Zwanziger und Niersbach endlich reinen Tisch machen und die Wahrheit erzählen", sagte Grünen Sport-Politiker Özcan Mutlu: "Wir fordern weiterhin eine lückenlose Aufklärung und höchstmögliche Transparenz, um Schaden vom deutschen Sport abzuwenden."

Die Äußerungen der neuen Doppelspitze Reinhard Rauball und Rainer Koch legen den Schluss nahe, dass die Erkenntnisse der vom DFB bestellten Ermittler (Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer) noch großen Zündstoff bergen. Aus der Affäre um die WM-Vergabe und die Zahlung der dubiosen 6,7 Millionen Euro könnte ein riesiger Skandal werden.

"Freshfields hat hervorragende Untersuchungsarbeit geleistet. Es sind eine Reihe von Punkten zutage gefördert werden, die zum Teil weiterer Aufklärung bedürfen", sagte Koch: "Die Frage, wie die WM vergeben wurde, wird uns noch weiter beschäftigen. Es geht um die vollständige und lückenlose Aufklärung der WM-Vergabe."

Was das bedeutet, deutete Koch an, indem er erklärte, dass der DFB nicht weiter juristisch gegen den Spiegel vorgehen werde - und das Nachrichtenmagazin hatte nun einmal berichtet, dass die WM-Endrunde 2006 mittels schwarzer Kassen gekauft worden sein soll. Es scheint nun so, dass nicht mehr nur der WM-Organisationsboss Franz Beckenbauer als Schlüsselfigur den Skandal aufklären kann.

"Die Aufklärung ist noch nicht zu Ende. Sie wird weitergehen, bis die Wahrheit auf dem Tisch liegt. Ohne Ansehen der Person und ohne Ansehen der Verdienste", äußerte Rauball, dessen Aussagen wohl in Richtung des nach wie vor äußerst schweigsamen Beckenbauers zielten.

(sid)
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