Rücktritt als DFB-Präsident Niersbach überrascht das Präsidium

Frankfurt/Düsseldorf · Der DFB-Präsident tritt zurück, nachdem ihm Hinweise über die Ermittlungsergebnisse der Agentur Freshfields vorgelegt worden sind. Er beteuert: "Ich habe mir persönlich nichts vorzuwerfen."

DFB-Präsident: Mögliche Nachfolger für Wolfgang Niersbach
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Mögliche Nachfolger für Wolfgang Niersbach als DFB-Präsident

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Wolfgang Niersbach kam gestern zum Dienst in die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes im Frankfurter Wald. Er wirkte voller Zuversicht. Noch bevor er sich dem Präsidium und den Vertretern der Landesverbände stellte, versprach er Antworten in der Affäre um die Vergabe der WM 2006. "Antworten, die jetzt erwartet werden und die auch die Öffentlichkeit erwartet", sagte der DFB-Präsident.

Da ahnte er selbst noch nicht, dass der Vormittag eine dramatische Entwicklung bringen würde. Denn die ersten Antworten in der Affäre gab die Wirtschaftskanzlei Freshfields, die im Auftrag des DFB ermittelt. Dem Präsidenten wurden Zwischenergebnisse vorgelegt, die den Schluss zulassen, dass bei der Vergabe der WM Korruption im Spiel gewesen sein kann. Daraufhin entschloss sich Niersbach zum Rücktritt. Das Präsidium überraschte er bei der Sitzung am Nachmittag.

Entsprechend reagierten seine Kollegen. "Mich hat der Schritt von Wolfgang Niersbach sehr betroffen gemacht", sagte DFB-Vizepräsident Peter Frymuth unserer Redaktion. "Die Übernahme der politischen Verantwortung beinhaltet auch Dinge, für die er nachweislich nichts kann." Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" sollen die Ermittler einen Vertragsentwurf aus dem Jahr 2000 gefunden haben, in dem vor der Vergabe der WM einem Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees "möglicherweise Vorteile" versprochen worden seien. Niersbach soll von diesem Schriftstück erst jetzt erfahren haben.

Reaktionen zum Rücktritt von Wolfgang Niersbach
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Er beteuerte, "dass ich in all den Jahren zu jedem Zeitpunkt sauber, vertrauensvoll und korrekt gearbeitet habe. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mir persönlich absolut nichts vorzuwerfen habe". Es sei "umso deprimierender, Jahre später mit Vorgängen konfrontiert zu werden, in die ich damals nicht einbezogen war und die auch für mich viele Fragen offen lassen". Insbesondere über die Geldflüsse im zeitlichen Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Deutschland "hatte ich keinerlei Kenntnis".

Sein Intimfeind und Amtsvorgänger Theo Zwanziger behauptet das Gegenteil. Niersbach habe "mindestens seit 2005" als damaliges Mitglied des WM-Organisationskomitees von den Vorgängen um die 6,7 Millionen Euro gewusst. Das Geld soll dem DFB vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus als Darlehen zugeflossen sein. Nach Darstellung von Franz Beckenbauer, der das WM-OK führte, wurde das Geld als eine Vorleistung an den Weltverband Fifa gezahlt, um in den Genuss eines WM-Zuschusses von 170 Millionen Euro zu gelangen. Beckenbauer soll Dreyfus für das Darlehen einen Schuldschein gegeben haben. Die 6,7 Millionen Euro sollen dann über ein Konto der Fifa an Dreyfus zurückgezahlt worden sein. Sie wurden allerdings als Beitrag zum WM-Kulturprogramm deklariert und in der Steuererklärung als Betriebskosten abgesetzt. Weil das Kulturprogramm nie stattfand, ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gegen Niersbach, der die Steuererklärung als gerade ernannter Generalsekretär des Verbands unterschrieb, seinen Vorgänger Zwanziger und den ehemaligen Generalsekretär Horst R. Schmidt. In der vergangenen Woche durchsuchten Fahnder die DFB-Zentrale und die privaten Wohnungen der Funktionäre.

Niersbach geht nicht ganz freiwillig, und er geht auf jeden Fall mit einem "schweren Herzen". Denn der DFB ist seine berufliche Heimat. 27 Jahre hat der ehemalige Agentur-Journalist für den Verband gearbeitet, als Pressechef, WM-Organisator, Generalsekretär und Präsident. "Die 27 Jahre DFB waren für mich immer viel mehr als ein Beruf", versicherte er gestern. Noch im späten Sommer durfte er sich an der Spitze eines Vorzeige-Verbands fühlen. Niersbach war der führende Vertreter einer moralischen Opposition gegen Fifa-Chef Sepp Blatter. Er forderte Aufklärung im von Korruptions-Skandalen erschütterten Weltverband. Er formulierte klare Forderungen zu einer Erneuerung der Fifa und rief Blatter zum Rücktritt auf. Er galt als Kandidat auf das Präsidenten-Amt in der europäischen Fußball-Union (Uefa). Das alles ist kein Thema mehr. Dennoch versprach Niersbach, "dass ich alles für eine umfassende Aufklärung der Vorgänge beitragen werde".

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Sein Vorgänger Zwanziger hat das in Zusammenarbeit mit den Medien getan. Seine Kooperation mit der Kanzlei Freshfields hat er gestern für beendet erklärt. Er berief sich darauf, dass Freshfields mit Katar und dem ehemaligen Fifa-Funktionär Mohamed Bin Hammam zusammengearbeitet habe. Katar hat Zwanziger verklagt, weil er das WM-Ausrichterland 2022 ein "Krebsgeschwür im Weltfußball" nannte. Die Aussagen vor den Freshfields-Mitarbeitern hat er ausdrücklich nicht autorisiert. Sein Ziel hat er ohnehin erreicht. Der Sturz Niersbachs, mit dem er inzwischen tief verfeindet ist, wird ihm gefallen. Dazu äußern wollte er sich nicht.

(RP)
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