Vorrunden-Aus bei der WM War das Deutschlands schlechteste Nationalmannschaft?

Düsseldorf · Nie zuvor ist eine deutsche Mannschaft bei einer WM in der Vorrunde ausgeschieden. Ist damit auch das Aufgebot von Bundestrainer Joachim Löw historisch schlecht? Probleme in der Vorrunde hatte Deutschland häufiger, es war nur immer gutgegangen.

 Torwart Manuel Neuer (r.) und seine Teamkollegen Jonas Hector, Mario Gomez und Thomas Müller (von links) nach der Niederlage gegen Südkorea.

Torwart Manuel Neuer (r.) und seine Teamkollegen Jonas Hector, Mario Gomez und Thomas Müller (von links) nach der Niederlage gegen Südkorea.

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“Blamage”, “Katastrophe”, “Debakel”: Es war nicht schwer, das Abschneiden der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Russland mit markigen Begriffen zu umschreiben. Ein Aus in der Vorrunde hatte es schließlich in über 80 Jahren WM-Geschichte noch nie gegeben. Doch ist durch den historisch schlechten Auftritt damit auch die Nationalmannschaft des Jahres 2018 die schlechteste der DFB-Historie?

Wer es sich einfach macht und nur auf das nackte Ergebnis schaut, der könnte zu diesem Schluss kommen. Aber allein angesichts der Qualität, die in Joachim Löws Kader steckt, ist dieser Gedanke abwegig. Neun Weltmeister aus dem Jahr 2014 gehörten zum Aufgebot, zudem 13 Confed-Cup-Sieger des Vorjahres. Der Kader sei noch stärker als jener bei der WM vor vier Jahren, sagten nicht wenige Fachleute. Ein Urteil, das auch für die Mannschaft 1994 galt, die auf die Weltmeister 1990 folgte, dann aber ebenso krachend scheiterte, wenn auch erst im Viertelfinale.

Die hohe, individuelle Qualität im aktuellen Kader ist unbestritten und nicht zu vergleichen mit jener in den dürren Jahren zwischen 2000 und 2004, als Deutschland zweimal in der EM-Vorrunde ausschied. Doch das Weltturnier - und das zeigte nicht zuletzt die WM 2002, als eine nur mittelmäßig besetzte Gruppe um Welttorhüter Oliver Kahn das Finale erreichte - war immer eine deutsche Spezialität.

Viermal Weltmeister, viermal unterlegener Finalist, viermal Dritter und einmal Vierter. Insgesamt 13 Halbfinalspiele bei nun 19 WM-Teilnahmen: Selbst wenn es arg holprig lief, dem deutschen Team gelang es immer wieder, Widerstände zu überwinden, sich durchzusetzen und weit zu kommen. Fast immer.

WM 2018: Die Zukunft der deutschen Nationalspieler
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1938 passierte es Deutschland schon einmal, in der ersten Runde rauszufliegen. Damals handelte es sich allerdings direkt um das Achtelfinale. Bundestrainer Sepp Herberger gelang es nicht, die von den Nationalsozialisten angeordnete Zusammenführung deutscher und österreichischer Spieler zu einer Mannschaft erfolgreich zu gestalten. Nach einem 1:1 sowie einem 2:4 im Wiederholungsspiel war gegen die Schweiz bereits Endstation.

16 Jahre später, bei der WM in der Schweiz, nahm Herberger eine deftige 3:8-Vorrundenniederlage gegen Titelfavorit Ungarn bewusst in Kauf, da er auf ein Weiterkommen in einem Entscheidungsspiel gegen die Türkei spekulierte. Der Bundestrainer geriet in der Heimat heftig in die Kritik, doch seine Rechnung ging auf. Mehr noch: Als Deutschland im Finale erneut auf Ungarn traf, düpierte es das siegesgewisse Wunderteam und wurde Weltmeister.

Auch die WM 1974 im eigenen Land gewann Deutschland trotz einer Vorrundenniederlage - oder besser gerade deswegen. Denn nach einer ernüchternden Vorrunde, die mit einem peinlichen 0:1 gegen die DDR endete, raufte sich die Mannschaft zusammen, marschierte mit drei Siegen durch die Zwischenrunde und besiegte im Finale die Niederlande 2:1.

In den 1980er Jahren folgten zwei Turniere, in denen Deutschland jeweils das Finale erreichte, auf dem Weg dorthin fußballerisch aber kaum einmal überzeugte.

Sich irgendwie durchzuwurschteln, das hatte die talentierte Generation, die Joachim Löw bei den vergangenen Turnieren zur Verfügung hatte, nicht mehr nötig. Und trotzdem hätte es frühzeitig schief gehen können. Sowohl 2010, als das Team nach einem 0:1 gegen Serbien einen Sieg gegen Ghana benötigte und letztlich 1:0 gewann, als auch 2014, als die Stürmer Algeriens im Achtelfinale immer wieder gefährlich vor Manuel Neuers Tor auftauchten, die Deutschen aber nach Verlängerung 2:1 siegten.

Die deutschen WM-Mannschaften hatten demnach des Öfteren ihre Probleme, ins Turnier zu finden und die ersten Wochen schadlos zu überstehen. Doch am Ende konnte sich Deutschland (fast) immer darauf verlassen, dass die Klasse einzelner Spieler oder die Nervenstärke der gesamten Mannschaft zum Weiterkommen ausreichte. Hier liegt der entscheidende Unterschied, wenn die Darbietungen in Russland mit früheren Turnierleistungen verglichen werden.

Die Nationalmannschaft des Jahres 2018 ist fußballerisch eine starke, stärker als viele frühere deutsche WM-Teams. Aber sie brachte nicht den unbedingten Willen auf, um sich trotz aller Rückschläge und Widerstände durchzusetzen - und das obwohl sie sich mit dem schwer erkämpften 2:1 gegen Schweden selbst eine emotionale Steilvorlage für das Vorrundenfinale gegen Südkorea geliefert hatte. Dies nicht nutzen zu können, ist die historisch schlechte Leistung der Nationalmannschaft 2018.

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