Zukunft des DFB-Teams Umbruch soll her - wer kommt, wer geht?

Kasan · Beim Umbruch im Nationalteam wird die Rolle der Weltmeister kontrovers diskutiert. Eine Rücktrittswelle ist nicht zu erwarten, aber langjährige Leistungsträger sind nicht mehr unumstritten. Doch allzu viele junge Spieler drängen nicht nach oben.

WM 2018: Die Zukunft der deutschen Nationalspieler
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Die Zukunft der deutschen Nationalspieler

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Foto: AFP/LUIS ACOSTA

Kapitän Manuel Neuer will auf dem Tiefpunkt der deutschen WM-Geschichte vorangehen. „Ich habe immer versucht, Verantwortung zu übernehmen, die Mannschaft mitzunehmen und zu motivieren. Aber natürlich gehöre ich mit dazu und bin auch ein Gesicht derjenigen, die dafür mitverantwortlich sind“, sagte Neuer als Anführer des entzauberten Weltmeisterteams. „Ich habe jetzt nicht vor, aufzuhören.“ Ein personeller Umbruch steht nach dem WM-K.o. in Russland aber an.

Der als viermaliger Champions-League-Sieger hochdekorierte Toni Kroos mochte nicht vorschnell über die weitere Zukunft orakeln. „Keiner hat damit gerechnet, dass wir hier rausgehen, der Trainer am wenigsten. Von daher ist es normal, dass er hier keine großen Ansagen macht und das erstmal für sich analysieren will“, sagte der 28-Jährige nach dem Tief- und Schlusspunkt beim 0:2 gegen Südkorea in Kasan.

Der erst 28 Jahre alte Kroos ließ das Ende einer goldenen Generation offen. „Weiß ich nicht. Es war ja in der Vergangenheit immer so, dass Turniere Zeitpunkte waren für Veränderungen. Es war ja vor vier Jahren auch so. Und es waren ja Teile dieser Generation jetzt auch dabei“, sagte Real-Star Koos.

Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker beendeten gleich nach dem Triumph von Rio ihre DFB-Laufbahn. Andere Führungsfiguren wie Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski folgten zwei Jahre später nach der EM. Weitere Brasilien-Sieger könnten nach der Russland-Blamage folgen. Neuer ist wohl der einzige aus der aktuellen Ü30-Generation, der selbst über seinen Verbleib in der Nationalelf entscheiden kann. Der kurz vor der WM fit gewordene Torhüter gehörte noch zu den wenigen DFB-Spielern, die nicht versagten in Russland.

Der jeweils nur eingewechselte Angreifer Mario Gomez (32 Jahre), 2014 nicht dabei, und der ernüchternd schwache Mittelfeldmann Sami Khedira (31) stehen alleine vom Alter her schon nicht für einen Neuaufbau. „Ich brauche jetzt erstmal ein paar Tage, um das zu verarbeiten“, sagte Teamsenior Gomez nach dem 0:2 gegen Südkorea.

Die nach der Erdoğan-Affäre in die Kritik geratenen Mesut Özil (29) und Ilkay Gündogan (27) müssten sich erst wieder in ihren Vereinen als sportlich unverzichtbar erweisen, um nach der WM-Aufarbeitung weiter fixe Größen sein zu können. Die Weltmeister Mats Hummels, Jérôme Boateng (beide 29), Kroos und Thomas Müller (28) sind wie Marco Reus (29), Sebastian Rudy oder Jonas Hector (beide 28) noch im guten Alter. Doch eine weitere WM ist für alle noch in weiter Ferne, womöglich sind auch nicht mehr alle bei der EM 2020 dabei.

„Jetzt habe ich zwei Weltmeisterschaften gespielt: Eine war der größte Erfolg meines Lebens, eine die größte Enttäuschung. Das ist schwer zu verarbeiten“, sagte Hummels. Er hatte sich schon vor dem Turnier wie Boateng auf eine Fortsetzung der DFB-Karriere festgelegt. Boateng und er konnten die eklatant großen Defensivlücken auch nie richtig schließen. Niklas Süle (22) deutete als bester DFB-Akteur gegen Südkorea an, dass er zur Stammkraft reifen könnte.

„Müller spielt immer“ gilt nicht mehr

In der Offensive ist der „Müller spielt immer“-Müller nicht mehr unantastbar. „Ich werde jetzt hier nicht eine halbe Stunde nach einem WM-Aus meinen Rücktritt erklären“, antwortete der Bayern-Angreifer genervt und den Tränen nah auf eine entsprechende Nachfrage. Zu viel über die Zukunft mochte der Bayern-Angreifer nicht reden. „Es wird hier keiner eine halbe Stunde nach dem Spiel etwas dazu sagen.“

WM 2018: Südkorea gegen Deutschland - Einzelkritik
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Zu viele Totalausfälle - Hummels noch der Beste

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Foto: AFP/SAEED KHAN

Von der jüngeren Garde kam nicht genug in den Tagen von Moskau, Sotschi und Kasan. Der nach mehr Einfluss strebende Joshua Kimmich (23) wurde bei der WM als ein Aufsteiger der vergangenen Jahr erst einmal gestoppt. Immerhin teilweise überzeugen konnte Timo Werner (22). Doch ein Stürmer wird nicht nur an Tempo, sondern vor allem an Toren gemessen. Die unglücklich agierenden Julian Draxler (24) und Leon Goretzka (23) oder der in allen drei WM-Spielen als Kurzzeitjoker Lust machende Julian Brandt (22) sind noch jung genug für viele Jahre Nationaltrikot.

Der nicht berücksichtige Finaltorschütze von 2014, Mario Götze (26), könnte bei Rückkehr zu besserer Fitness und mehr Konstanz wieder ins Blickfeld rücken. Den im Trainingslager aussortierten Premier-League-Shootingstar Leroy Sané (22) hatten ohnehin viele eigentlich im WM-Kader gesehen. Hier ist Löw nun angreifbar.

Im Fokus stehen aber nicht allzu viele junge Spieler, die jetzt nicht dabei waren. Von den im Vorjahr gefeierten U21-Europameistern, die erstmals seit der Generation um Neuer, Özil oder Hummels 2009 diesen Titel gewannen, drängte sich im WM-Jahr keiner auf. Nur der nach Hoffenheim ausgeliehene Münchner Serge Gnabry (22) war überhaupt ein Russland-Kandidat, musste aber die WM-Option verletzt verstreichen lassen.

Dass Deutschland sich nicht für die U19-EM in diesem Jahr qualifizierte und die U17 bei der EM in der Vorrunde scheiterte, ist alarmierend. „Man muss jetzt die richtigen Schlüsse ziehen und es in Zukunft wieder besser machen“, sagte Joachim Löw noch in Kasan.

(areh/dpa)
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