Gespräch mit Politikwissenschaftler „Özil scheint ein gespaltenes Verhältnis zu Deutschland zu haben“

Düsseldorf · Dass sich Nationalspieler Mesut Özil nicht zu seinem Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan äußert, ist für Heinrich Oberreuter unverständlich. Der Politikwissenschaftler hat mit uns über Özils Schweigen gesprochen.

 Mesut Özil bei der Abreise der Nationalmannschaft nach Russland.

Mesut Özil bei der Abreise der Nationalmannschaft nach Russland.

Foto: dpa/Arne Dedert

Mesut Özil schweigt. Seit mehr als einem Monat äußert sich der Nationalspieler nicht zu seinem Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Auch während der WM wird der Mittelfeldspieler dieser Linie treu bleiben. Davon geht zumindest DFB-Teammanager Oliver Bierhoff aus. "Das ist seine Aussage. Ich gehe davon aus, dass er das durchzieht", sagte Bierhoff der „Bild“-Zeitung. "Ob es in diesem Fall richtig und gut für ihn ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Konsequenzen haben wir ihm aufgezeigt und die kennt er aus Erfahrung."

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter wird da deutlicher. Er findet Özils Umgang mit der Erdogan-Affäre fahrlässig: „Es ist natürlich schwer, in einer Dummheit nachher etwas Cleveres zu finden“, sagte er unserer Redaktion. Aber die Nicht-Reaktion habe zusätzlich für Ärger bei den Menschen gesorgt. „Die Tatsache, dass Özil sich nicht von Erdogan und dem Foto distanziert, zeigt, dass er wohl ein gespaltenes Verhältnis zu dem Staat hat, für dessen Nationalmannschaft er spielt“, sagte Oberreuter. Der Politikwissenschaftler lehrte unter anderem als Professor an der Universität Passau.

Es spreche nichts dagegen, Respekt für die Türkei zu haben. Sehr viel spreche aber dagegen, einem Autokraten wie Erdogan, der die Menschenrechte in seinem Land nicht respektiere, seinen Respekt auszusprechen.

DFB-Strategie ist nicht aufgegangen

Besonders unglücklich findet der 75-Jährige den Zeitpunkt der Aktion. Vor so einem Turnier gehe es um die Emotionen von Millionen von Menschen. Da sei es schwierig, wenn man die Symbole einer anderen Nation so betone, wie es Özil und Gündogan mit ihrem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten getan hätten. Ilkay Gündogan habe mit seinen Stellungnahmen in den sozialen Medien immerhin die Emotionen klargestellt und sich zu dem Fußball-Team Deutschland bekannt. „Die Frage, wohin seine politische Gesinnung geht, ist damit aber nicht geklärt“, sagte der Politikwissenschaftler.

Der DFB könne inzwischen nur noch hoffen, dass erfolgreiche Spiele die Diskussion beenden. „Das Kind liegt inzwischen so tief im Brunnen, dass man das gar nicht mehr auffangen kann“, sagte Oberreuter. Die Strategie, Gras über die Sache wachsen zu lassen, habe nicht funktioniert. Ein dramatischer Bußgang von Özil und Gündogan würde jetzt aber auch nicht mehr funktionieren, glaubt Oberreuter. Jetzt sei wirklich nur noch Schweigen eine Option.

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