DFB-Team stolpert zum Auftakt Ratlos in Moskau

Moskau · Deutschland verliert erstmals als Weltmeister ein WM-Auftaktspiel. Das 0:1 gegen Mexiko ist das Resultat einer pomadigen und konzeptlosen Leistung. Vor allem die arrivierten Kräfte enttäuschen. Joachim Löw bleibt dennoch optimistisch.

 Nicht nur Thomas Müller wirkte nach der Pleite gegen Mexiko konsterniert.

Nicht nur Thomas Müller wirkte nach der Pleite gegen Mexiko konsterniert.

Foto: dpa/Victor R. Caivano

Reinhard Grindel hatte mal wieder eine wichtige Botschaft. Stolz verkündete der DFB-Präsident diese Woche: „Deutsche Fans haben nach den russischen die meisten Karten für die WM gekauft – 75.000." Das war vorläufig die letzte frohe Kunde aus deutscher Sicht. Denn eine akustische Überlegenheit beim Auftaktspiel des Weltmeisters gegen Mexiko haben die deutschen Fans damit nicht erworben. Mexikos Anhang war lauter, und er schien auch zahlreicher vertreten im Moskauer Luzhniki-Stadion. Und er hatte allen Grund zu ausgelassener Freude. Denn Mexiko gewann das erste Gruppenspiel verdient mit 1:0. Der Weltmeister legte einen ganz schwachen, über weite Strecken konzeptlosen Auftritt hin, und damit hat er sich bildschön unter Druck gebracht.

„Der Start hat nicht geklappt. Jetzt müssen wir gewinnen, ich bin überzeugt, dass wir das schaffen. Wir hatten so eine Situation noch nicht, aber diese Widerstände müssen wir überwinden", sagte Joachim Löw, dessen Wunschformation schon am Morgen vor dem Spiel gesprengt war. Jonas Hector, Stammkraft auf der linken Abwehrseite, musste wegen einer tüchtigen Erkältung auf einen Einsatz verzichten. Löw ersetzte ihn sozusagen 1:1, indem er den Berliner Marvin Plattenhardt auf den linken Flügel der defensiven Viererkette schickte – eine gelernte Kraft also. Auf Experimente mit ausgebildeten Innenverteidigern wie Antonio Rüdiger und Matthias Ginter verzichtete er.

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Foto: AP/Eduardo Verdugo

Im offensiven Mittelfeld setzte er auf Julian Draxler und – trotz der Störgeräusche vor dem Turnier – Mesut Özil. Von Draxlers Nominierung konnte man spätestens nach der offiziellen Fifa-Pressekonferenz am Vortag ausgehen, als der Bundestrainer zu einer kleinen Lobeshymne für den Kapitän der Confed-Cup-Mannschaft aus dem Vorjahr aufbrach. „Ich finde, dass er seit dem Confed-Cup einen großen Schritt gemacht hat", sagte Löw, „ich bin ein Fan seiner Fähigkeiten, er kann der Mannschaft schon auch viel geben." Davon war freilich wenig zu sehen.

Draxler fügte sich in eine Teamleistung, die nicht nur Löw Sorgen machen muss. Vor allem in der ersten Halbzeit war der deutsche Auftritt an Schwerfälligkeit und mangelnder Dynamik kaum zu unterbieten. Die DFB-Auswahl bot dem quirligen Gegner Räume im Mittelfeld an, die Abstimmung der Abwehrreihe stimmte überhaupt nicht, und das Aufbauspiel war ein ratloses Querschieben des Balles über viele Stationen.

Besonders Sami Khedira wirkte gegen die mit viel Tempo attackierenden Mexikaner wie ein alter Herr. Mexiko ließ sich zu seinen Kontern nicht lange bitten. Wenn es schnörkellos nach vorn ging, hatte die tapsige deutsche Defensive große Probleme. Die Führung durch Hirving Lozano war die zwangsläufige Folge. Mexiko musste sich später vorhalten lassen, dass die Begegnung bis zum Ende spannend blieb, weil der Außenseiter seine Gelegenheiten zu einer frühzeitigen Entscheidung mit Abspielfehlern beim vielgerühmten letzten Pass verschlampte.

Als die Deutschen nach dem Wechsel die Brechstange auspackten und nach der Einwechslung von Marco Reus zumindest ein wenig mehr Tempo fanden, hatten sie selbst einige gute Torgelegenheiten. Zu großen Paraden riefen sie Guillermo Ochoa im mexikanischen Tor allerdings nicht auf.

Deshalb gab es gleich einige Premieren. Deutschland verlor zum ersten Mal ein WM-Auftaktspiel als Weltmeister, und Deutschland verlor zum ersten Mal ein Pflichtspiel gegen Mexiko. Wie hatten die sogenannten Führungsspieler von Jerome Boateng bis zu Toni Kroos und Trainer Löw so schön gesagt: „Ein Erfolg im ersten Spiel gibt Sicherheit für das ganze Turnier." Der Umkehrschluss: Der Weltmeister kann sich nicht mehr sicher fühlen. Zumindest bis nächstes Wochenende droht ihm das Schicksal von dreien seiner vier Vorgänger der vergangenen Jahre, er muss sich mit dem Gedanken an ein Ausscheiden beschäftigen.

Deutschland - Mexiko: die Stimmen zum Spiel
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Foto: AP/Eduardo Verdugo

Der saumselige Start in die Begegnung lässt den Verdacht zu, dass nicht jeder sich mit drohenden Folgen einer Niederlage auseinandergesetzt hat. Derartige Konzentrationsmängel sind anders nicht zu erklären.

Löw war es bisher immer gelungen, seine Mannschaft zum Start in brauchbare Wettkampfform zu bringen. Diesmal war das ganz und gar nicht der Fall. Auch der Trainer wird sich hinterfragen müssen.

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