2:1 gegen Schweden Kroos erlöst Deutschland in der Nachspielzeit

Sotschi · Mit einem Last-Minute-Sieg gegen Schweden hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft die Chance auf den Achtelfinal-Einzug bei der WM gewahrt. Toni Kroos gelang der entscheidende Geniestreich.

Am Morgen ging ein ordentliches Gewitter über Sotschi nieder. Natürlich war es auch im Quartier der deutschen Mannschaft zu vernehmen. Vielleicht war es ein Weckruf für die DFB-Auswahl. Sie präsentierte sich nach zahlreichen Umstellungen im zweiten WM-Gruppenspiel deutlich verbessert, und kam in letzter Sekunde zu einem 2:1-Erfolg über die Schweden. Toni Kroos verwandelte einen Freistoß indirekt ins Tordreieck. Das erhält dem Weltmeister die Chance auf einen Verbleib im Turnier. "Letztendlich war es verdient, weil wir an uns geglaubt haben, drangeblieben sind und eine gute Moral bewiesen haben", sagte Löw. Der Matchwinner stimmt dem Bundestrainer zu: "So, wie wir gefightet haben, haben wir uns das am Ende verdient. Jetzt müssen wir uns erholen, müssen Südkorea schlagen und überzeugend auftreten", sagte Kroos,

Löw ist nicht eben für seine Experimentierfreude bekannt. Und er setzt normalerweise auf die Spieler, die schon einige Zeit mit ihm zusammenarbeiten. Aber mit der Aufstellung im zweiten WM-Gruppenspiel überraschte er selbst jene, die ihn nach zwölf Jahren im Amt des Cheftrainers zu kennen glauben. Er setzte nicht nur Sami Khedira nach einer ganz schwachen Vorstellung gegen Mexiko auf die Bank, er nahm auch seinen erklärten Lieblingsspieler Mesut Özil aus der Startelf - zum ersten Mal bei einem großen Turnier seit der WM 2010 in Südafrika. Marco Reus ersetzte ihn, spielte allerdings nicht auf der zentralen vorderen Mittelfeldposition, der Zehn, die Özils angestammter fußballerischer Lebensraum ist. Reus sollte auf allen offensiven Positionen auftauchen und die vielgerühmten Läufe in die Tiefe des Raumes starten.

Für Khedira wurde, ebenfalls ziemlich überraschend, Sebastian Rudy ins defensive Mittelfeld gestellt. Er sollte gemeinsam mit Toni Kroos den Rhythmus des Spiels bestimmen und den Offensivkräften den Rücken freihalten. Rudy musste jedoch schon nach einer halben Stunde mit blutender Nase ausgewechselt werden. Im Zweikampf war er unglücklich getroffen worden.

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Foto: AP/Rebecca Blackwell

Dass der genesene Kölner Jonas Hector im Vergleich zur Begegnung mit Mexiko den Berliner Marvin Plattenhardt ersetzte, war dagegen zu erwarten gewesen. Für den Münchner Innenverteidiger Mats Hummels, den ein blockierter Halswirbel zum Zuschauen verurteilte, brachte der Coach Antonio Rüdiger vom FC Chelsea.

Rüdiger spielte die Hauptrolle in einer Schlüsselszene der ersten Halbzeit. Nachdem seine Mannschaft starke, dominante erste zehn Minuten hingelegt und zwei gute Chancen ausgelassen hatte, verlor der Chelsea-Verteidiger beim Überqueren der Mittellinie den Ball. Beim folgenden Konter bremste Rüdigers Kollege Jerome Boateng den enteilten Marcus Berg mit einem Foul. Die Deutschen hatten Glück, dass Schiedsrichter Szymon Marciniak aus Polen keinen Elfmeter pfiff.

Die Deutschen merkten plötzlich, dass der Gegner gefährlich mitspielen kann, und sie verkrampften sofort.

Die Führung gelang den Schweden wieder unter tätiger Mithilfe der DFB-Auswahl. Diesmal leistete sich ausgerechnet der für seine Passsicherheit berühmte Toni Kroos einen unerklärlichen Fehlpass. Und diesmal saß der Konter. Viktor Claesson setzte Ola Toivonen in Szene, gegen dessen Heber Torwart Manuel Neuer ohne Chance war.

Der Druck für den Weltmeister war noch einmal höher geworden. Und das konnte jeder auf dem Spielfeld sehen. Der Schwung der ersten Minuten war dahin, alles wirkte angespannt, und die Fehlerquote wurde in dem Maße höher, wie die Schweden in ihrer Abwehrarbeit sicherer wurden.

Löw zog seinen letzten Joker, er wechselte Mario Gomez für den erneut nicht überzeugenden Julian Draxler ein. Gomez sollte für höhere Strafraumpräsenz sorgen. Seine erste Aktion führte zum Ausgleich. Nach einer flachen Flanke von Timo Werner ging er zum sogenannten kurzen Pfosten und machte den Weg für Reus frei. Das 1:1 löste ein wenig die Fesseln, es kam wieder mehr Bewegung ins deutsche Spiel. Thomas Müller hätte unmittelbar nach dem Treffer von Reus beinahe die Führung erzielt, die Schweden wackelten erstmals in der Begegnung kräftig.

An der Seitenlinie arbeitete Löw mit, er bewegte die Arme wie Windmühlenflügel und trieb seine Elf an. Das gesamte Spiel verbrachte er am äußersten Rand seiner Coaching-Zone. Damit dokumentierte er, dass er um die Bedeutung des Spiels wusste. Seine Mannschaft zeigte zumindest, dass sie nicht bereit war, sich kampflos aus diesem Turnier zu verabschieden, in das sie mit so großen Zielen gegangen ist. Sie brachte die Schweden schwer unter Druck, die kaum noch zu Kontern ansetzen konnten. Im Abschluss fehlte den Deutschen freilich die letzte Zielstrebigkeit. Und der erlösende zweite Treffer wollte lange nicht fallen, nicht einmal nach einem gefährlichen Kopfball von Gomez und einem strammen Schuss des eingewechselten Julian Brandt, der nur den Pfosten traf. Obwohl die deutsche Elf Boateng durch einen Platzverweis verlor, stürmte sie in Unterzahl weiter. Das Tor von Kroos macht die Tür ins Achtelfinale wieder auf.

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