"Da bin ich schon stolz drauf" Mertesacker ist Beckenbauer auf den Fersen

Santo Andre · Wahrscheinlich hat Per Mertesacker bald mehr Länderspiele als Franz Beckenbauer. Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs trat 103 Mal in der Nationalmannschaft an, Mertesacker bestreitet am Samstag (21 Uhr/MESZ/Live-Ticker) in Fortaleza gegen Ghana seine 100. Partie. "Darauf", sagt der Verteidiger, "bin ich schon stolz. Denn damit war ja nicht zu rechnen."

 Per Mertesacker im Spiel gegen Portugal.

Per Mertesacker im Spiel gegen Portugal.

Foto: afp, Desk

Mertesackers Länderspielgeschichte begann bei einem 2:0-Testspielsieg im Iran im Herbst 2004. "Ich konnte das damals alles gar nicht einordnen", erklärt er, "das stehst du plötzlich vor 120.000 Leuten, die dir zujubeln, da habe ich mich gefragt: Wo bist du überhaupt? Das musste ich erst einmal verarbeiten." Das muss ganz gut gelungen sein, denn Mertesacker zählte zum Personal, das zwei Jahre darauf den Deutschen ein Sommermärchen schenkte.

Diese Erfahrung rechnet er noch heute zu den Höhepunkten seiner Laufbahn. Viel mehr aber als die Erfolge bei den beiden WM-Turnieren 2006 und 2010, die Deutschland jeweils als Dritter abschloss, hat er sein Comeback nach der Europameisterschaft 2012 abgespeichert. Damals gehörte er nicht zur Abwehr-Stammformation. Aber er arbeitete sich zurück in die Mannschaft. "Das waren Schlüsselmomente", stellt er fest, "ich habe an mich geglaubt."

Das tun seine Trainer in der DFB-Auswahl längst ebenso wie sein Vereinscoach Arsene Wenger. In beiden Teams ist der schlaksige Innenverteidiger gesetzt, weil er ein gutes Gefühl für den Raum hat und ein sehr kluger Zweikämpfer ist. Er muss selten Zuflucht zu Fouls suchen, und weil er fast zwei Meter groß ist, beherrscht er natürlich auch den Luftraum.

Aber er weiß als nun doch erfahrener Mann im Berufssport, dass er sich für seine Rolle als einer der wesentlichen Spieler in der Mannschaft "immer wieder neu beweisen muss". Daran hat sich seit seinem Debüt nichts geändert. An der Spielweise von deutschen Abwehrreihen schon. Als Mertesacker das Defensivspiel lernte, gab es noch den Libero, den freien Mann hinter der Abwehr. Seine Aufgabe bestand darin, die Kollegen zu dirigieren, Löcher zu schließen, durch die Gegner stoßen konnten, und den Aufbau zu beginnen.

Mertesacker hat in der Jugend oft auf der Libero-Position gespielt. Dort habe er viel für das richtige Verhalten in der Viererkette gelernt, versichert er bei der Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes in der Nähe des Mannschaftsquartiers Campo Bahia im beschaulichen Santo Andre. "Die Viererkette kam genau zur richtigen Zeit für mich", findet Mertesacker.

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Bei der WM in Brasilien lernt er eine ganz neue Viererkette kennen - die aus vier gelernten Innenverteidigern. "Wir sind dabei, uns aneinander zu gewöhnen. Aber wir haben ein gutes Gefühl", sagt Mertesacker. Das Gefühl ist sicher noch besser, wenn die DFB-Auswahl gegen Ghana in der gleichen Aufstellung beginnen kann wie gegen Portugal. Deshalb hofft Mertesacker auf den Einsatz des Kollegen Mats Hummels, der gegen Portugal mit einer Oberschenkelprellung ausschied und gestern ein individuelles Aufbautraining machte. "Ich gehe fest davon aus, dass er spielt", erklärt Mertesacker, "aber auch alle anderen werden ihre Leistungen abrufen, wenn sie reinkommen."

Für die Grundsicherung des Teams wünscht sich das ab Samstag 13. Mitglied des 100er-Klubs allerdings eine Fortsetzung des Spiels mit den Kollegen Hummels, Benedikt Höwedes und Jerome Boateng. Denn "die letzte Reihe ist entscheidend dafür, dass man als ganze Mannschaft Vertrauen findet".

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Während die Mitspieler Boateng und Höwedes beweisen, dass gelernte Innenverteidiger durchaus auf den Flügeln spielen können, schließt Mertesacker einen Ausflug nach außen aus. "Meine Karriere im Profifußball habe ich beim Auswärtsspiel mit Hannover 96 in Köln als rechter Verteidiger begonnen", sagt er im Rückblick, "nach 45 Minuten wurde ich ausgewechselt. Das zu dem Thema." Man wird eben auch von Mesut Özil nicht verlangen, dass er künftig im Tor spielt. So viel Flexibilität muss nun nicht sein.

(areh)
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