Deutschland vor der K.o.-Runde Heynckes-Bayern müssen Vorbild für Bundestrainer Löw sein

Düsseldorf · Sieben Punkte, sieben Tore, zwei Gegentreffer – die deutsche Mannschaft hat souverän das WM-Achtelfinale erreicht. Eine erste Bilanz fällt positiv aus. Doch für den ganz großen Wurf sollten sich Joachim Löw und seine Spieler noch etwas vom Champions-League-Sieger 2013 abschauen.

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Nach diesen 90 plus fünf Minuten in Recife war es ein Versprecher mit Ansage. Jermaine Jones war mit seinen US-Amerikanern zwar nur selten schwindelig, aber zumindest mürbe gespielt worden. Also resümierte der Ex-Schalker: "Die Bayern... ach, jetzt sag' ich schon die Bayern. Die Deutschen sind schon eine Super-Truppe." Im Mittelfeld dominierte das Rekordmeister-Trio um Philipp Lahm, Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger. Vorne gelang Thomas Müller das Siegtor für die DFB-Elf, bei der Torwart Manuel Neuer einen typischen Bayern-Bundesliga-Arbeitstag verlebte. Fordern konnten ihn die US-Amerikaner nicht — bei 32 Prozent Ballbesitz brachten sie keinen einzigen Schuss auf Neuers Kasten.

Das hatte viel vom FC Bayern an guten, aber keineswegs überragenden Tagen der Guardiola-Saison. Mehr Gefahr im Angriffsdrittel muss her, mehr von den Champions-League-Sieger-Bayern unter Jupp Heynckes, die den FC Barcelona im Frühjahr 2013 auseinandergenommen hatten.

Effektiv den Ton angeben

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Foto: dpa, braun

Die schwächste Halbzeit der Gruppenphase ist immerhin keine, an die man sich ungern erinnert — weil sie gleichzeitig eine der attraktivsten aller 48 Spiele war. In den zweiten 45 Minuten gegen Ghana ließ sich die deutsche Mannschaft mitreißen, lud den Gegner mit Patzern bei beiden Gegentoren aber auch ein. Besonders nach dem 2:2 war es in Fortaleza eine Fußballparty ohne Hemmungen.

In der K.o.-Runde könnte der Kater heftiger ausfallen. Also gilt es nicht nur, konditionell überlegen zu sein und mit den Kräften zu haushalten. Vor allem die Konzentration wird zum entscheidenden Faktor werden. Drei Tore der deutschen Mannschaft fielen in der ersten Halbzeit, vier in der zweiten Halbzeit. Dafür benötigten Thomas Müller und Co. lediglich 37 Torschüsse. So schlecht war die Chancenverwertung also nicht. Die Zahl 37 ringt einem lediglich ein "siehe oben" ab — mit der erneuten Forderung nach mehr Gefahr im Strafraum und bei Kontern.

Alternativen und ein Risikofaktor

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Mit nur zwei Veränderungen in der Startelf gegen die USA hat Joachim Löw 218 Länderspiele auf den Platz befördert (Lukas Podolski hatte 115, Bastian Schweinsteiger 103 Partien auf dem Buckel). Zur zweiten Hälfte kam Miroslav Klose — 133 weitere Länderspiele in Personalunion mit 20 WM-Spielen und 15 WM-Toren. In der Schlussphase hatte Löw noch Mario Götze im Ärmel, den teuersten jemals innerhalb der Bundesliga gewechselten Spieler, sowie Andre Schürrle, der sechs seiner 13 Länderspieltore als Joker erzielt hat.

Was bis hierhin wie ein Segen klingt, könnte sich im Turnierverlauf durchaus als Nachteil erweisen. Gerade bei Schweinsteiger und Sami Khedira, der gegen die USA eine Verschnaufpause erhielt, muss er permanent die Fitness im Auge behalten. Bislang funktioniert das Dreier-Mittelfeld, das Herz der Mannschaft, in jeder Konstellation. So kann es weitergehen, aber fragil ist das Gebilde durchaus.

Nicht auf Schönheitspreise schielen

57, 63 und 68 Prozent — von Spiel zu Spiel ist die deutsche Mannschaft im Ballbesitz dominanter geworden. Überlegenheit stärkt die Defensive, die einzigen beiden Gegentore fielen in einer Phase gegen Ghana, als diese Dominanz am meisten bröckelte. Was gerade gegen die USA sehr an die spanischen Weltmeister von 2010 erinnerte, dürfte dem DFB-Team diesmal nicht die Auszeichnung "Unterhaltsamste Mannschaft" einbringen.

Aber die wird bekanntlich nicht unmittelbar nach dem Finale in einer Zeremonie mit reichlich Konfetti überreicht. An Deutschlands 2120 Pässe kommen nur die erwähnten Spanier heran (2071), Argentinien (1882) liegt abgeschlagen auf dem dritten Pass-Platz.

Den Standard-Weg weitergehen

Co-Trainer Hansi Flick gebührt schon jetzt ein Sonderpreis, weil er Joachim Löw davon überzeugt haben soll, Standardsituationen nicht mehr so stiefmütterlich zu behandeln. Aus 14 deutschen Ecken resultierten nunmehr drei Tore. Gegen Portugal fand Toni Kroos direkt den Kopf von Mats Hummels. Gegen Ghana bot sich Mesut Özil für eine kurze Ausführung an, Kroos entschied sich wieder für die direkte Variante, fand Benedikt Höwedes' Kopf und der das lange Bein von Miroslav Klose. Gegen die USA klappte es dann kurz: Özil auf Kroos, Kroos auf Özil, Per Mertesacker scheiterte per Kopf, doch Thomas Müller hämmerte den Ball mit Gefühl (ja, das geht) in die lange Ecke.

2006 (Italiens Fabio Grosso) und 2010 (Spaniens Carles Puyol) kassierte die deutsche Mannschaft auf diese Art entscheidende Treffer. Diesmal scheint sie bestens gerüstet, Brasilien, Chile, Kolumbien oder Uruguay in einem möglichen Halbfinale auf eben jene Art zu gefährden.

Erfahrung ausspielen

Ein deutsches Quartett ist auf dem Weg in die Top Ten der Spieler mit den meisten WM-Einsätzen, Miroslav Klose ist schon Dritter und die Generation der U21-Europameister von 2009 könnte bei der nächsten Weltmeisterschaft in Russland nachziehen. Die Turniererfahrung der im Vergleich jungen deutschen Mannschaft ist immens. Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Co. haben im Nationalmannschaftstrikot viele große Spiele abgeliefert, aber die ganz großen Spiele dann doch selten gewonnen.

Im Vergleich zu vergangenen Turnieren können gerade die Bayern-Profis befreiter aufspielen. Sie haben mit dem Champions-League-Titel ihren großen Pokal gewonnen. Zusammen mit den "So nicht"-Erinnerungen von 2006, 2008, 2010 und 2012 ist das ein Mix, der im Teilnehmerfeld seinesgleichen sucht.

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