WM-Affäre Ausschuss hört WM-Aufsichtsrat Schily

Berlin/Düsseldorf · Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages ist in den Kuschelmodus zurückgekehrt. Ein paar Tage wurde energisch "lückenlose Aufklärung" der Vorgänge um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gefordert. Nun verschob das Gremium mit den Stimmen der Großen Koalition eine Einladung von Franz Beckenbauer, Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach, Fedor Radmann und Günter Netzer bis auf weiteres. Unabhängig von der Frage, ob die Herren auf freiwilliger Basis überhaupt gekommen wären.

Die Zuständigkeiten im Organisationskomitee der WM 2006
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Die Zuständigkeiten im deutschen OK bei der WM 2006

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Foto: dpa

Immerhin, so ist aus Kreisen des Sportausschusses zu erfahren, soll 2016 ein neuer Anlauf unternommen werden. Erst nach Abschluss der Ermittlungen der Agentur Freshfields beim DFB sollen die rund um die WM 2006 maßgeblich an Bewerbung und Organisation beteiligten Personen vor dem Parlamentsgremium zur Rede gestellt werden.

Bei der Opposition ist dieses Vorgehen auf großes Unverständnis gestoßen. "Ich finde es falsch, dass Beckenbauer und Co. nicht schon für den 16. Dezember eingeladen worden sind. Die lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung des DFB-Skandals ist noch nicht abgeschlossen", sagte Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag dieser Redaktion. "Es ist unser Recht zu erfahren, was wirklich bei der WM-Vergabe passiert ist. Und es ist unsere Pflicht, diesen Skandal aufzuklären, damit etwas Ähnliches sich nicht wiederholt."

Finanzminister Wolfgang Schäuble, der ebenfalls zur Aufklärung hätte beitragen können, hat frühzeitig abgewinkt. In einer Woche soll nun Otto Schily (SPD) berichten, ob er Ungereimtheiten rund um die Vergabe des Turniers bemerkt habe, das als Sommermärchen in die Geschichte einging. Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister und Mitglied im Aufsichtsrat des WM-Organisationskomitees. Der Erkenntnisgewinn seines Auftritts dürfte sich allerdings im überschaubaren Rahmen bewegen. Denn am vergangenen Wochenende hat er seine Aussage bereits in einer Talkshow formuliert. Von Ex-DFB-Präsident Zwanziger, der die ganze Sache ins Rollen gebracht hatte, halte er nicht viel. Von Unregelmäßigkeiten habe er, Schily, keine Kenntnis gehabt, ohnehin hätten die Medien mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung beigetragen. Er sei außerdem nicht bereit, sich dieses tolle Fest im Sommer 2006 im Nachhinein madig machen zu lassen.

Im Sportausschuss wird er sich dennoch einige Fragen gefallen lassen müssen. Im Wesentlichen geht es immer noch um zwei Bereiche. Zum einen ist nicht objektiv geklärt, ob bei der Vergabe der WM geschoben wurde. Das ist bisher nur sehr wahrscheinlich, wie das übrigens auch der DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball eingeräumt hat. Zum anderen sind die Vorgänge um die Bereitstellung und Überweisung jener ominösen Summe von 6,7 Millionen Euro nicht aufgeklärt. Noch kursiert die Version, das WM-OK habe das Geld beim ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen, weil es zu Beginn seiner Tätigkeit über keinen eigenen Etat verfügte, und später auf ein Konto der Fifa zurückgezahlt. Dort soll es als Beitrag zum WM-Kulturprogramm deklariert worden sein. Das Kulturprogramm fand allerdings nie statt.

Schily hat bei seinen zurückliegenden Auftritten daher versucht, den Weltverband in die Pflicht zu nehmen. "Die Frage betrifft eigentlich die Fifa", sagte er in der ARD. Auch hier gibt es ein interessantes Erklärungsmodell. Danach soll mit den 6,7 Millionen Euro die Wiederwahl des Fifa-Präsidenten Sepp Blatter organisiert worden sein.

Schily hat stets betont, er könne sich keine verschleierten Zahlungen vorstellen. "Es gab einen Schatzmeister, der alle Zahlungen penibel geprüft hat", erklärte er. Dieser Schatzmeister hieß Theo Zwanziger - der Kronzeuge der Affäre. Gegen ihn, den inzwischen zurückgetretenen Präsidenten Wolfgang Niersbach und den OK-Vizepräsidenten Horst R. Schmidt wird im Zusammenhang mit der Verbuchung der 6,7 Millionen Euro wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt.

Von Blatter ist ebenfalls nichts Erhellendes zu erwarten. Der Fifa-Präsident ist von der verbandseigenen Ethikkommission für 90 Tage gesperrt. Er beteuerte noch diese Woche, nie etwas von Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben.

(RP)
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