Krise beim DFB Zwanziger und Niersbach: Ziemlich beste Feinde

Dortmund · Auf Theo Zwanziger ist Verlass. Vor einer Woche hatte der ehemalige DFB-Präsident versprochen, er werde nach seinem Urlaub mit neuen Erklärungen zur Affäre um mögliche Tricksereien bei der Vergabe der WM 2006 an Deutschland auf den Nachrichtenmarkt kommen. Er hielt Wort.

Zwanziger gegen Niersbach: Chronik einer Männerfeindschaft
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Am Freitag wiederholte er im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" seinen Vorwurf, "dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab". Es sei ebenso eindeutig, "dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon mindestens seit 2005. So wie ich das sehe, lügt Wolfgang Niersbach". Zwanziger war im WM-Komitee für die Finanzen zuständig.

Niersbach hatte noch in dieser Woche beteuert, es habe keine schwarzen Kassen gegeben. Und er wies die "Spiegel"-Mutmaßung zurück, die Deutschen hätten vor der Wahl des Ausrichters der WM 2006 vier asiatische Stimmen gekauft. Die Tatsache, dass vor der WM 6,7 Millionen Euro auf ein Fifa-Konto gezahlt wurden, bestritt Niersbach nicht. Die Fifa habe den Deutschen einen Zuschuss von 170 Millionen Euro für die Finanzierung des Turniers versprochen, dafür allerdings als Vorleistung jene 6,7 Millionen Euro verlangt.

Wolfgang Niersbach eröffnet das Deutsche Fußballmuseum
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Nach Niersbachs Darstellung hat Franz Beckenbauer, der Chef des Bewerbungs- und Organisationskomitees, davon 2002 in einem Gespräch mit dem Fifa-Präsidenten Sepp Blatter erfahren. Weil das Komitee noch über keine eigenen Mittel verfügte, habe Beckenbauer erwogen, die Summe aus seinem Privatvermögen vorzustrecken. Schließlich aber fand er es angenehmer, sich das Geld vom damaligen Adidas-Chef Louis-Dreyfus leihen zu lassen.

Bis zu diesem Punkt sind sich die streitenden Parteien im Rückblick sogar einig. Nicht aber in der Frage, wohin das Geld geflossen ist. Die Fifa widersprach am Donnerstag Niersbachs Version, die 6,7 Millionen Euro seien an den Weltverband gegangen. Zwanziger behauptet nun, die Millionen seien an Mohamed Bin Hammam überwiesen worden. Der ehemalige Fifa-Vizepräsident führte damals den katarischen Verband. Er war die einflussreichste Figur im asiatischen Funktionärswesen.

Bin Hammam als Schlüsselfigur

Ohne es ausdrücklich auszusprechen, sagt Zwanziger damit: Die Deutschen haben über Bin Hammam und die Asiaten die Stimmenmehrheit bei der Wahl in Zürich 2000 gewonnen. Die Wahl ging mit 12:11 denkbar knapp aus. Und er sagt damit auch: Sie revanchierten sich für dieses Entgegenkommen mit Geld. Beweise dafür fehlen allerdings nach wie vor.

Zwanziger bestätigt im "Spiegel" die vor Wochenfrist von einem anonymen Informanten geäußerte Behauptung, Günter Netzer habe entgegen seines Dementis den Kauf der vier Stimmen aus Asien bei der Vergabe des WM-Turniers zugegeben.

Immerhin räumt Zwanziger ein, dass er als Mitglied des WM-Organisationskomitees die Rücküberweisung des Geldes an Louis-Dreyfus abgezeichnet habe. Selbstverständlich hat er sich zuvor von seinem Anwalt gutachterlich prüfen lassen, ob er sich als DFB-Chef strafbar gemachten haben könnte. Das ist offenbar nicht der Fall.

Abgelöst wurde er von Niersbach, der zuvor sein wichtigster Untergebener war. Der ehemalige Pressechef des DFB war über seine Rolle als Vizepräsident des WM-OK zum Generalsekretär des Verbands aufgestiegen. Die innige Feindschaft, die Niersbach und Zwanziger inzwischen verbindet, begann 2011, obwohl davon zunächst nichts zu erkennen war. Zwanziger hatte mal wieder mit Rücktrittsgedanken kokettiert — offensichtlich in der Annahme, seine Freunde beim DFB würden ihn schon laut genug wieder umstimmen. Ganz nach dem Motto: "Theo, ohne dich geht es einfach nicht." Die sahen das aber wohl nicht so. Und sie hatten auch nicht vor, den Empfehlungen Zwanzigers für die Thronfolge zu entsprechen.

Einsamer Zwanziger

Der scheidende Präsident wollte Erwin Staudt, den ehemaligen Vorsitzenden des VfB Stuttgart, aufgebaut sehen. Der DFB-Bundestag aber hob Niersbach ins Amt. Das konnte Zwanziger nicht gefallen. Denn Niersbach ist ein kompletter Gegenentwurf. Während Zwanziger bis zur Unerträglichkeit die politische Bedeutung des Amts in den Vordergrund stellte, ist Niersbach eher ein Praktiker, der seine wesentliche Aufgabe darin sieht, den größten Sportverband der Welt in Funktion zu halten. Zwanziger ist ein Mann der DFB-Basis, der Regional- und Landesverbände, tief verwurzelt bei den Amateuren, Niersbach war zeit seines Funktionärslebens ein Mann des Profifußballs. Auch deswegen wird er im Amt vor allem von den Profis öffentlich gestützt — zuletzt von Bundestrainer Joachim Löw, der ihn als "besten Präsidenten, den man sich vorstellen kann" rühmte.

Zwanziger unterstellte seinem Nachfolger einen Mangel an Ausstrahlung und politischem Gewicht. Und er nörgelte an Niersbachs Umgang mit dem Ehrenamt herum. Der Nachfolger habe "ein völlig anderes Verständnis", sagte Zwanziger. Es sei zumindest moralisch fragwürdig, dass er sich seine Betriebsrente vorzeitig auszahlen lasse, um im Jahr auf ein Einkommen zu kommen, das in etwa jenem des Generalsekretärs entspreche. Der DFB teilte die Anschauung Zwanzigers nicht, die vorzeitige Zahlung sei geprüft. Auch die Ethikkommission der Fifa, an die sich der ehemalige Präsident wandte, wies seine Bedenken zurück. Niersbach wiederum verlangte Zwanzigers Rücktritt aus dem Fifa-Exekutivkomitee, als er von der Eingabe bei den "Ethikern" erfuhr. Sein Vorgänger war im DFB längst völlig isoliert.

Viele Verbandsfunktionäre vermuten daher in Zwanzigers öffentlichen Vorwürfen eine planvolle Rache an seinem Nachfolger. Im Präsidium des DFB wurden die neuen Anschuldigungen "mit Verwunderung zur Kenntnis genommen". Mehr als offensichtlich sei doch, dass es dem 70-Jährigen nicht um Aufklärung gehe, sondern um eine persönliche Abrechnung mit seinem Intimfeind, sagte ein Präsidiumsmitglied unserer Redaktion.

Das verlangt auch Sylvia Schenk als Vertreterin von "Transparency International". In Fragen der Transparenz könne sich "der DFB noch deutlich verbessern", erklärte sie, "es reicht nicht aus, wenn man auf seiner Internetseite ein paar bunte Bilder zeigt. Es gehört auch dazu, die Entschädigungen für Funktionäre offenzulegen und Finanzberichte zugänglich zu machen."

Die Verantwortlichen des DFB kritisieren Zwanziger massiv. "Wir hatten unter ihm eine Angst- und Krisenkultur beim DFB", sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock in Dortmund bei der Eröffnung des Deutschen Fußballmuseums. "Man muss festhalten, dass er die Vorwürfe, die er erhebt, noch in seiner Amtszeit hätte angehen können. Wir stehen voll hinter Niersbach."

(gic, pet)
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