Erstaunliche Kritiklosigkeit Beckenbauer und seine guten Freunde

Frankfurt/Main · Prominente, Funktionäre und (Ex-)Sportler wie Tennis-Legende Boris Becker halten trotz aller Vorwürfe erstaunlich kritiklos zu Franz Beckenbauer.

Boris Becker und Franz Beckenbauer 2011 bei der Eröffnung des Senders Sky Sport News HD.

Boris Becker und Franz Beckenbauer 2011 bei der Eröffnung des Senders Sky Sport News HD.

Foto: dpa, Andreas Gebert

In der Krise wird es üblicherweise einsam - doch für Franz Beckenbauer sind normale Maßstäbe seit jeher außer Kraft gesetzt. Die "Kaisertreuen" scharen sich in der WM-Affäre erstaunlich eng um ihr Idol. Der nach wie vor eisern schweigende WM-Chef von 2006 erhält von Tag zu Tag mehr Unterstützung aus Sport und Politik, allen Enthüllungen über Bestechungsversuche und belastende Unterschriften zum Trotz. Kritik? Distanzierung?
Fehlanzeige.

Auf die Spitze mit der Beckenbauer-Verehrung trieben es die, die überhaupt nichts mit der WM-Affäre zu tun haben. "Gerade in schwierigen Zeiten erkennt man seine Freunde!", schrieb Tennis-Idol Boris Becker bei Twitter: "Franz Beckenbauer ist einer der wichtigsten Deutschen....ich verehre ihn."

Teils ging es ins Absurde. "Ich halte es für eine absolute Frechheit, die ganze Scheiße jetzt hochzukramen und den Franz und generell den DFB dafür verantwortlich zu machen. Wir hatten damals einfach eine tolle Zeit", sagte Ex-Schwergewichtsboxer Axel Schulz: "Wenn man Stimmen kauft, wem hat das geschadet? Wir sollten einen Strich darunter machen und alle freisprechen."

"Franz Beckenbauer kenne ich als integre Persönlichkeit, dem ich nach wie vor vertraue, dass er bei der Bewerbung um die WM 2006 keine unlauteren Mittel angewandt hat", sagte am Freitag der frühere Innenminister Otto Schily der "Bild". Mögliche Fehler des Kaisers schließe das aber nicht aus. Schily (83), das erklärt die Treue, saß damals im Aufsichtsrat des WM-Organisationskomitees. Von dem offensichtlichen Beckenbauer-Deal mit der Fifa-Skandalfigur Jack Warner (Trinidad und Tobago) will er nichts mitbekommen haben.

"Mir ist nichts aus eigenem Wissen darüber bekannt, ob und gegebenenfalls welcher Art es Geschäftsbeziehungen zwischen dem DFB oder dem Organisationskomitee für die WM 2006 und Jack Warner gegeben hat", sagte Schily. Die Unterschrift Beckenbauers unter einem Skandal-Dokument, das den versuchten Stimmenkauf kurz vor der WM-Vergabe zumindest sehr nahelegt, ist inzwischen durch die neue Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verbrieft. Die "Lichtgestalt" hat ihre Strahlkraft aber für viele immer noch nicht verloren.

"Ich bin kein Insider in dieser nicht sehr sympathischen Geschichte. Aber Franz Beckenbauer war mein Trainer, mein Kapitän und Präsident. Er hat für den FC Bayern Überragendes geleistet. Wenn ein Freund in Schwierigkeiten ist, dann muss man ihm zur Seite stehen", sagte Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge (60): "Und das werden wir beim FC Bayern auch tun."

Der Bayern-Boss verstehe, "dass der DFB hier größtes Interesse haben muss, die ganze Angelegenheit aufzuklären", sagte Rummenigge: "Aber ich würde mir auch dort manchmal einen etwas sensibleren Umgang mit der Person Franz Beckenbauer wünschen. Ich glaube, dass auch der DFB der Person Franz Beckenbauer viel zu verdanken hat - wenn ich nur an die vielen Weltmeisterschaften denke, die man mit ihm gewonnen hat." Es waren zwei.

Im Sog der WM-Affäre, in der er es längst nicht mehr "nur" um die verschwundenen 6,7 Millionen Euro geht, derentwegen sich die Steuerfahndung eingeschaltet hat, war DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (64) am Montag zurückgetreten. Weitere Konsequenzen für die damals beteiligten WM-Macher gibt es bislang nicht - auch, weil Beckenbauer nichts zur Aufklärung beiträgt.

Das berühmte "Wegfranzeln"? Nicht für Rudi Völler. "Franz hat sich ein wenig zurückgezogen. Das ist sein gutes Recht, wenn man so in der Öffentlichkeit steht", sagte Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler (55) bei Sky Sport News HD: "Er ist eine öffentliche Figur, und ich bin mir sicher, er wird auch diesen Gegenwind, der sicherlich jetzt ein Sturm geworden ist, überstehen." Zudem gab sich der frühere Beckenbauer-Spieler (zusammen Weltmeister 1990) überzeugt, dass der Kaiser "früher oder später mit seinem Management oder auch alleine" mit einer Stellungnahme zur Aufklärung beitragen werde.

Zumindest bei Ex-Nationalspieler Olaf Thon klang im Fantalk bei Sport1 ein Hauch eines Zweifels durch. "Er ist eine Lichtgestalt von seiner Persönlichkeit. Ich bin pro Beckenbauer und versuche bis zur letzten Sekunde daran zu glauben, dass er gut aus der Sache kommt." Wohlgemerkt: Ich versuche...

(areh/sid)
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