Zwei Tage vor Beginn der WM Elf Fragen zu Löws Team

Campo Di Bahia · Lukas Podolski und Andre Schürrle haben kurz vor der WM an Bedeutung für die deutsche Nationalmannschaft gewonnen. Gerade nach Marco Reus' Ausfall sind die torgefährlichen Mittelfeldspieler wichtig.

Öffentliches Training der DFB-Auswahl
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Die deutsche Nationalmannschaft ist in Brasilien. Vor ihr liegt das wichtigste Fußballturnier, hinter ihr eine Vorbereitung, die nicht gerade reibungslos verlaufen ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten vor der WM.

Fans empfangen deutsche Elf in Porto Seguro
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1. Wie lautet die wesentliche Erkenntnis der Vorbereitungsspiele?

Das Schlüsselwort ist "kompakt". Joachim Löws Auswahl fußballerischer Hochbegabungen wurde auch von vergleichsweise Kleinen manchmal ziemlich in Verlegenheit gebracht. Das lag an einem mangelnden Gleichgewicht zwischen Unterhaltungsfußball im Angriff und konsequenter Abwehrarbeit. "Fehlende Balance" bescheinigte der oberste Übungsleiter seinem Team. "Mangelnde Kompaktheit" nennen es die neueren Lehrbücher. Die wesentliche Erkenntnis: Wer das Spielfeld nicht eng macht und sich nicht mit allen Spielern an der Abwehrarbeit beteiligt, der bekommt gegen Weltklassegegner große Probleme - nicht nur gegen Chile und Kamerun. Aber es gibt Hoffnung - das letzte Testspiel (6:1 gegen Armenien) sorgte dafür. "Das kann einen Schub geben", sagte Löw.

Neuer trainiert mit Torwarttrainer Andreas Köpke
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2. Wie wird Marco Reus ersetzt? Und: Geht das überhaupt?

Es geht eigentlich nicht. Denn niemand im deutschen Aufgebot, vielleicht niemand auf dem Globus, hat diese bezaubernde Mischung aus Tempo, Leichtigkeit, Schusstechnik, Ballgefühl und Gespür für den Raum. Nicht umsonst soll der FC Barcelona Borussia Dortmund ein 35-Millionen-Euro-Angebot für Reus vorlegen. Er ging in blendender Form ins Training, seine schwere Knöchelverletzung wirft die Mannschaft in ihren Möglichkeiten zurück. Löw wird mit einiger Sicherheit Lukas Podolski auf den linken Flügel stellen. Dadurch werden die Angriffe ein Stückchen berechenbarer, aber sie werden nicht notwendig ungefährlicher. Podolski zeigte mit seinem kraftvollen Stil gegen Armenien, dass er seine Truppe mitreißen kann. "Er hat körperlich noch einen Schritt nach vorn gemacht", urteilte Löw, der den Turnierexperten "Poldi" schätzt. Der ehemalige Kölner ist alles andere als ein taktisches Auslaufmodell.

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3. Sind falsche Neuner doch richtige Stürmer?

Er werde die Diskussion über stürmende Mittelfeldspieler und rotierende Spitzen nicht mit nach Brasilien nehmen, hat Löw barsch entschieden. Doch nur Tore beenden diese Debatte. In Mainz gegen Armenien trafen André Schürrle, Lukas Podolski, Benedikt Höwedes, Miroslav Klose und Mario Götze (2). Vier der sechs Tore gingen auf das Konto falscher Neuner. Das sind vier Argumente für Löws gewöhnungsbedürftige Taktik.

4. Kann man mit vier Innenverteidigern spielen?

Löw hat die Antwort in Mainz gegeben. Sie lautet: "Das ist eine denkbare Variante." Es ist sein Zugeständnis an das wichtigste Gesetz beim Turnier: Ergebnis geht über Schönheit. Damit hat Löw viele verblüfft.

5. Welche Rolle spielt Lahm?

Wenn alle Mittelfeldspieler gesund sind, wird er rechts verteidigen. In einer zentralen Dreierkette wie gegen Armenien nimmt er Sami Khedira die Wirkung. Sein Trainer sagte ganz vorsichtig: "Wir haben in der ersten Halbzeit zu wenig die Zwischenräume besetzt." Da war Lahm dabei.

6. Wie kommt man mit den schwierigen Witterungsbedingungen klar?

Durch Rhythmuswechsel und eine gute Absicherung der eigenen Angriffe. Die neue Defensivreihe gegen Armenien gab den Hinweis, dass Löw nicht 90 Minuten Angriffsfußball spielen will.

7. Wie schlägt man die Großen?

Im Prinzip genau wie die Kleinen, mit guter Raumaufteilung, schnellem Umschalten und weniger Großzügigkeit im Umgang mit Torgelegenheiten als im zurückliegenden Länderspieljahr. Vor allem aber mit einer positiven Grundüberzeugung. Das erklärt die große Bedeutung, die Podolski für die Mannschaft haben kann.

8. Warum sind Standards so wichtig, warum macht die DFB-Elf so wenig daraus?

WM-Turniere sind keine Torfestivals, Taktik und Torverhinderung sind die ersten Gebote. Deshalb kommt den Standards erhöhte Bedeutung zu, sie können knappe Spiele entscheiden. Zu den Stärken der Deutschen gehören sie nicht. Dabei sind sie viel leichter zu üben als verschnörkelte Angriffszüge.

9. Muss Manuel Neuer fit werden, und: wird er fit?

Die DFB-Verantwortlichen und der Torwart selbst überbieten sich in atemlosen Beruhigungsmeldungen. Das kann man verdächtig finden. Gestern trainierte Neuer erstmals wieder richtig. Sicher ist: Ohne Neuer ist das deutsche Spiel aus der Abwehr halb so schnell. Und vor Neuer haben die Gegner größten Respekt. Löws Team braucht den besten Torwart der Welt.

10. Wird Özil der beste Spieler der Welt?

Der Fußball-Künstler aus Gelsenkirchen wird nicht müde, dieses große Ziel zu verkünden. Die notwendige Wettkampfhärte auf diesem schweren Weg hat er allerdings nur selten bewiesen. In der Vorbereitung auf Brasilien überhaupt nicht. Ob Löw ihm weiter erweiterten Welpenschutz angedeihen lässt, ist fraglich. Der Trainer hat sich vorgenommen zu gewinnen.

11. Kann denn Härte Sünde sein?

Ein paar Jahre lang sah es ganz so aus. Die schöne deutsche Grätsche geriet bei Joachim Löw auf den Index, "weil ein Spieler im Liegen seinem Gegenspieler nicht mehr folgen kann". Wenn er ihn jedoch mit körperlichen Mitteln aus dem Spiel nimmt, ist das durchaus erfolgversprechend. Zum Beweis bitte mal bei Sergio Ramos oder Pepe, den Innenverteidigern von Real Madrid, vorsprechen. Oder bei Jerome Boateng, der zur Verwunderung seiner feingeistigen Kollegen gegen Armenien auch mal formschön dazwischenfuhr. Das machte Eindruck und steht für einen leisen Stilwandel. Gerade noch rechtzeitig.

(RP)
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