Flug zu Bin Hammam nach Katar Grindel macht WM-Skandal zur Chefsache

Köln · In den WM-Skandal beim DFB kommt womöglich neue Bewegung. DFB-Chef Reinhard Grindel persönlich will im Dezember in Katar im Idealfall sogar von der Schlüsselfigur Mohammed Bin Hammam Informationen für die Aufklärung einholen - im zweiten Anlauf.

Reinhard Grindel - ehemaliger DFB-Präsident
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Das ist Reinhard Grindel

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Foto: dpa, fis jhe

Reinhard Grindel erklärt die Aufarbeitung des WM-Skandals 2006 endgültig zur Chefsache: Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) persönlich wird im Dezember in Katar einen neuen Versuch für ein Gespräch mit der Schlüsselfigur der Affäre, Mohammed Bin Hammam (Katar), unternehmen. Das Ziel ist, damit zur womöglich endgültigen Aufklärung des Rätsels um die ungeklärte Millionen-Zahlung der deutschen WM-Macher von 2006 beizutragen.

Er werde sich nach der Klub-WM in Abu Dhabi (6. bis 16. Dezember) "ins Flugzeug setzen und - so ist die Planung jetzt - nach Katar fliegen", sagte der 56-jährige Grindel am Samstag bei Sky Sport News HD: "Ich habe mich bemüht, mit Gesprächspartnern in Kontakt zu kommen, die uns bei der weiteren Aufklärung möglicherweise helfen können. Ich werde auch versuchen, mit Herrn Bin Hammam persönlich ins Gespräch zu kommen. Ich kann nicht sagen, ob das gelingt. Aber dass wir die Versuche vor Ort weiter vorantreiben - das ist so!"

Grindels erstmalige Bestätigung für seine Mission, die bereits im Sommer ein Thema war und auch Treffen mit Regierungsvertretern beinhalten soll, erfolgte zu einem pikanten Zeitpunkt: Denn just am gleichen Tag berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, dass der DFB schon im Frühling 2016 eine erste Gelegenheit auf eine Aussage von Bin Hammam zu den ominösen Vorgängen im WM-OK ungenutzt gelassen haben soll.

Indirekt jedenfalls hatte der DFB vor eineinhalb Jahren tatsächlich Kenntnis von der Gesprächsbereitschaft des nachweislich korrupten Ex-Funktionärs. "Später", sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch auf SID-Anfrage dazu, "hat Bin Hammam im Rahmen der Korrespondenz zwischen unseren Anwälten seine Bereitschaft zu einer Befragung zurückgezogen."

Von einer vergebenen Chance zur Auflösung des seit über zwei Jahren über dem Verband schwebenden Rätsels um Zweck und Verbleib von 6,7 Millionen Euro aus dem WM-Etat könne indes keine Rede sein, meinte Koch weiter: "Dass wir über Anwälte zu Bin Hammam Kontakt hatten und sogar den Botschafter von Katar zur Vermittlung eingeschaltet haben, zeigt doch, dass wir wirklich alles getan haben, um aufzuklären."

Die Pläne für den Wüstentrip seines Chefs suggerieren allerdings, dass noch nicht alle Möglichkeiten restlos ausgeschöpft worden sind. Außerdem soll sich im Vorjahr das im Rückblick offenbar nur kleine Zeitfenster für Bin Hammams Informationen aus erster Hand auch aus verbandsinternen Gründen wieder geschlossen haben. Dies meldete der Spiegel unter Berufung auf ein Protokoll von Kochs damaliger Aussage bei der unabhängigen Ethikkommission des Weltverbandes FIFA.

Demnach hätte Koch kurz vor Grindels Wahl zum neuen DFB-Boss "keine Meinungsverschiedenheiten innerhalb des DFB haben" wollen. Darüber hinaus wäre für Koch sein bevorstehender Termin bei Katars Botschafter in Deutschland ein weiterer Grund gewesen, Bin Hammams Offerte ohne Zeitdruck zu betrachten.

Bin Hammam kann jedoch mutmaßlich als einzige Person neben den damaligen WM-Verantwortlichen um Franz Beckenbauer zur Aufhellung der Hintergründe der Affäre beitragen. Immerhin flossen 2002 von einem Beckenbauer-Konto über die Schweiz Millionen an eine Firma des Scheichs.

Das Geld hatte der deutsche WM-Chef nach derzeitigem Kenntnisstand vom früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zeitnah erstattet bekommen, ehe die WM-Organisatoren 2005 wiederum die gleiche Summe von 6,7 Millionen Euro über den Umweg eines FIFA-Kontos sowie mit fingiertem Grund an den Franzosen zurücküberwiesen.

Ein Zusammenhang zwischen den Zahlungen an Bin Hammam und Louis-Dreyfus ist von mehreren Beteiligten schon mehrfach bestätigt worden. Zweck und Verwendung dieser "Luftbuchungen" und "Scheingeschäften", wie die ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt die Finanztransaktionen zwischendurch schon bezeichnete, sind indes auch zwei Jahre nach Enthüllung des Skandals ein einziges Fragezeichen.

(sid)
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