Kolumne: Gegenpressing Was von den Triumphen bleibt

30 Jahre nach Boris Beckers Wimbledonsieg hat sich der Tennis-Boom erledigt. Fußball-Weltmeister von 1990 sind Dauergäste auf dem Boulevard. Ein Jahr nach Rio ist Deutschlands Fußball längst nicht mehr weltmeisterlich. Zeitlos groß ist allein Franz Beckenbauer.

Schlüsselmomente für das DFB-Team 2014
11 Bilder

Schlüsselmomente für das DFB-Team 2014

11 Bilder

Es ist die Woche der Jahrestage. Vor 30 Jahren gewann Boris Becker das Tennisturnier in Wimbledon. Vor 25 Jahren holte Franz Beckenbauer als Trainer mit seinem Team die Weltmeisterschaft nach Deutschland. Und vor einem Jahr bezwang die Elf von Bundestrainer Joachim Löw Argentinien im WM-Finale von Rio mit 1:0. Kaum auszuhalten.

Zum Glück hat sich die Aufregung inzwischen gelegt. Zeit für die Samstags-Frage: Was ist geblieben von all diesen Triumphen? Nicht viel, das steht schon mal fest.

Der Tennis-Boom, den Becker als 17-jähriger mit seinem unvergleichlichen Spiel, seinem Kampfgeist, seiner Ausstrahlung lostrat, ist längst vorbei. Das vorerst einstige Land der Tennisspieler und Tennisfachleute ist wieder ein Fußballland - mehr denn je wahrscheinlich. Große Turniere gibt es hierzulande nicht mehr, das Fernsehen zeigt dem Sport die kalte Schulter. Beckers Nachfolger auf dem Platz haben weder seine Klasse noch im Entferntesten seine Wirkung aufs Publikum. Für Unterhaltung sorgen allein die dauerhaften Auseinandersetzungen der Funktionäre. Zur Aufführung in einem Stadion dienen aber auch sie nicht.

Der Triumphzug der 90er-Weltmeister verführte den um keinen Spruch verlegenen Teamchef Beckenbauer zu der fachkundigen Ansicht, die deutsche Elf sei nun zum Leidwesen der anderen Nationen auf Jahre unschlagbar. Diese Ansicht ist schnell widerlegt worden. Zehn Jahre nach Rom lag Deutschlands Fußball im tiefen Tal der Rumpelei. Weltmeister von 1990 wirkten dabei führend mit.

Einige haben wichtige Rollen im aktuellen Fußball, der allseits beliebte, volksnahe Rudi Völler zum Beispiel oder sein damaliger Sturmpartner Jürgen Klinsmann, der an der Renovierung der Nationalmannschaft maßgeblich beteiligt war. Andere wie Lothar Matthäus, der Kapitän der WM-Elf von 1990, sind Hauptdarsteller auf dem Boulevard. Wieder andere, wie der 1990 überragende Andreas Brehme, sind das, was der Volksmund eine verkrachte Existenz nennt. Mit großem Glanz schwebt durch alle Höhen und Tiefen Franz Beckenbauer, der Kaiser.

Sein Stern wird noch strahlen, wenn Mario Götze nur mehr eine Randnotiz der WM-Chronik ist. Götze hat zwar das entscheidende Tor im Finale vor einem Jahr geschossen. Zur Ikone ist er damit nicht geworden. Und geliebt wird das seltsam unnahbare Kerlchen auch nicht.

Vom sehenswerten Fußball, der Deutschland nach Brasilien brachte, sind 2015 lediglich Ansätze geblieben. Vom Zauber, den die DFB-Elf beim 7:1-Sieg über Brasilien im Halbfinale verbreitete, ganz zu schweigen. Löw musste neulich mal wieder feststellen, dass "der Respekt" für den deutschen Fußball "international enorm groß" sei. Das klang sehr nach Beschwörung. Dass sein Team den Fußball derart prägen wird, wie das die Spanier von 2008 bis 2012 schafften, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Unschlagbar ist es ohnehin nicht. Das hat es bereits im ersten Pflichtspiel nach der WM bewiesen (0:2 in Polen). Derart weit aus dem Fenster wie Vorgänger Beckenbauer hatte sich Löw natürlich auch nicht gelehnt. Er ist eben nicht der Kaiser. Da kann es nur einen geben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort