Deutschlands letzter Titel-Trainer Berti Vogts: "Setzt euch die Krone auf!"

Berti Vogts würdigt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft vor dem WM-Finale am Sonntag (21 Uhr MESZ) gegen Argentinien. Der frühere Gladbacher Profi holte den letzten Titel für Deutschland: als Trainer der Europameister-Mannschaft 1996.

Deutschland - Argentinien: Zahlen und Statistiken
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Foto: dpa

Deutschland ist im WM-Finale Topfavorit. Die Mannschaft von Joachim Löw war im Turnierverlauf die stabilste und hat den besten Fußball gespielt. Das ist die Quintessenz dessen, was in den letzten zehn Jahren im deutschen Fußball passiert ist. Jürgen Klinsmann hat all das mit Löw und Hansi Flick auf den Weg gebracht. Nun hat diese Generation die große Chance, sich zu krönen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem sie einen Titel holen muss.

Das 7:1 gegen Brasilien im Halbfinale war eines der großartigsten Spiele, die eine deutsche Mannschaft je gemacht hat — es hätte auch 10:0 ausgehen können. Die Deutschen haben die Schwächen der Brasilianer aufgedeckt und ausgenutzt. Früher war es ein Genuss, Brasilien spielen zu sehen. Doch jetzt muss ich sagen, dass dies kein echtes Brasilien war. Und das ist auch logisch. Die Talente aus Brasilien gehen früh nach Europa — und da lernen sie, europäisch zu spielen.

Aber wir müssen wissen, dass es so ein Spiel wie das gegen Brasilien nur alle 1000 Jahre gibt. Gegen die Argentinier morgen geht alles wieder bei Null los, es wird ein ganz anderes Spiel. Im Halbfinale gegen die Holländer haben wir gesehen, wie schwer es ist, gegen sie zu Torchancen zu kommen. Gefährlich wird es, wenn Argentinien kontert.

Elf Gründe, warum Deutschland Weltmeister wird
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Löw und sein Trainerstab haben aber ganz sicher genau analysiert, wie Argentinien zu knacken ist. Wichtig ist vor allem: Das deutsche Team muss sein Spiel machen und darf sich keinesfalls am Gegner ausrichten. Es wird jedoch darauf ankommen, Lionel Messi auszuschalten. Man darf ihm keine Räume geben. Dafür brauchen wir aber keinen, der ständig an ihm dran ist.

1974 gab es eine Parallele. Als wir in München gegen Holland Weltmeister wurden, ging es für uns darum, Johan Cruyff aus dem Spiel zu nehmen. Damals hat Günter Netzer ihn im Training simuliert. Günter war in Topform am Ende des Turniers — und ich sah verdammt alt aus gegen ihn. Helmut Schön hatte den Ansatz, dass ich Cruyff 30 Meter vor dem Tor nehmen sollte. Doch das war ein Problem. So konnte Cruyff im Tempo auf uns zukommen — und das hat gleich in der zweiten Minute zu dem Elfmeter gegen uns geführt. Ich bin dann gleich raus zu Schön und habe ihm gesagt, dass ich Johan Cruyff schon früher angehen muss. Es hat geklappt und wir haben, auch dank der niederländischen Überheblichkeit und unserer Willensstärke das Spiel gedreht.

Die privaten Fotos der Nationalspieler aus Brasilien
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Foto: Facebook/Lukas Podolski

Auch Messi darf nicht in Strafraumnähe zum Schuss kommen. Er hat eine unglaubliche Schusstechnik und kann jederzeit ein Spiel entscheiden. Darum muss es Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger gelingen, ihn zu stellen. Sie müssen ihn immer wieder übernehmen, so dass er nicht ins Spiel eingreifen kann, weil es keine Passwege gibt. Toni Kroos ist dann für den kreativen Part zuständig. Er hat gegen Brasilien ein Weltklasse-Spiel gemacht. Er war nicht nur Vorbereiter, sondern auch zweifacher Torschütze. Er ist das spielerische Herzstück der deutschen Mannschaft. Özil hat bisher nicht so überzeugt. Wenn er aber jetzt im Finale den entscheidenden Pass spielt — und das kann er — ist alles vergessen.

Dass das deutsche Spiel so gut funktioniert, ist auch damit zu erklären, dass es wie 1974 einen Bayern-Block gibt. Man kann das vergleichen: Maier und Neuer, Schwarzenbeck und Boateng, Beckenbauer und Schweinsteiger, Müller und Müller, Kroos und Hoeneß.

Deutschland - Argentinien: der etwas andere Vergleich
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Die Bayern-Spieler kennen sich — und sie wissen, wie man Titel holt. Dazu kommt ein großartiger Mats Hummels, und man darf auch Benedikt Höwedes nicht vergessen. Er spielt nicht auf seiner angestammten Position, aber er macht es richtig gut als Außenverteidiger. Die Mischung, die Löw zusammengestellt hat, ist perfekt. Und man darf nicht vergessen, dass Marco Reus ja noch fehlt.

Deutschland hat den Vorteil, dass es in dieser Phase des Turniers keine Verletzten gibt. Und dass die, die nicht ganz fit waren zu Beginn des Turniers, nun bereit sind. Das ist ein Verdienst des Teams hinter dem Team — was das angeht, ist keine andere Nation so gut aufgestellt wie wir. Zudem haben wir einen Tag mehr Pause als Argentinien, die auch noch eine Verlängerung und ein Elfmeterschießen in den Knochen haben.

Grundsätzlich bin ich froh, dass wir gegen Argentinien und nicht gegen Holland spielen. Gegen van Gaals defensive Fünferkette wäre es sehr kompliziert geworden. Ich muss van Gaal ein Kompliment machen, er ist ein ganz großer Trainer. Aber das ist Joachim Löw auch. Ich kann nur sagen: Jogi, ich hoffe, du setzt dir jetzt gegen Argentinien die Krone auf.

(RP)
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