Pünktlich zur WM wieder in aller Munde Der Sticker-Mythos Panini: "Es ebbt nicht ab"

Modena · Fußball-Sticker von Panini begeistern Jung und Alt seit Jahrzehnten. Im italienischen Modena werden die beliebten Sammelbilder produziert und verwahrt.

Der Mythos lebt in einem unscheinbaren Gebäudekomplex am Ende der Via Emilio Po im Westen von Modena. Drei Etagen, die Rollläden heruntergelassen, vom Glamour eines Weltunternehmens keine Spur. In der Fabrikhalle hinter dem Hauptgebäude knattern die Maschinen. Millionen kleiner Träume werden hier täglich hergestellt und in Tütchen verpackt. Der Name der von vier Brüdern 1961 gegründeten Firma für Fußball-Sammelbilder lässt bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen die Augen leuchten: Panini.

"Meine Frau ist froh, dass ich diesem Hobby fröne und nicht nach Dienstschluss in die Kneipe gehe und mir die Biere reinziehe", sagt Thomas Unger. Der kräftige Niedersachse besuchte mit einer Sammlergruppe die Produktionsstätte des Unternehmens in Norditalien. Als er zum ersten Mal die große Halle betrat, in der es wie in einer Ameisenkolonie zugeht, kamen ihm die Tränen: "Das war ein sehr emotionaler Auftritt für mich. Jedem Sammler geht hier einfach nur das Herz auf."

Vor 53 Jahren gaben die Brüder Giuseppe, Benito, Franco und Umberto Panini das erste Sammelalbum heraus, ein dünnes Heft mit Bildern der "Calciatori", der Fußballer aus Italiens erster Liga. Das Debüt-Cover zierte ein Schwede: Nils Liedholm vom AC Mailand, der mit seinen Landsleuten Gunnar Gren und Gunnar Nordahl den legendären Gre-No-Li-Sturm bildete. Heute sind die Bilder schärfer, die Hefte umfangreicher und die Tütchen teurer als damals — die Faszination des Klebe-Mythos aber bleibt ungebrochen.

"Je skurriler die Serien sind, desto schöner wird es"

"Es ebbt nicht ab", sagt Alexander Dienst über das Glücksgefühl beim Sammeln: "Es ist bei jeder Serie neu, und je skurriler die Serien sind, desto schöner wird es." Der Systemadministrator aus Hamburg sammelt quer Beet und hat auch eine Liste der ihm fehlenden Bilder mit nach Modena gebracht. Im Bilder-Archiv der Firma lagern knapp 150 Millionen Sticker.

"Es gibt keine Altersgrenze", sagt Hermann Paul. Der Chef von Panini-Deutschland erzählt von der Leidenschaft des gemeinsamen Klebens, von glücklichen Kindern, von einer zweiten "Sammelkurve, die ab 30 Jahren beginnt und dann aufhört, wenn man stirbt". Erst neulich, vor dem offiziellen Verkaufsstart, hat Paul mit Kindern das aktuelle WM-Heft zur Endrunde in Brasilien beklebt: "Die waren ja wie aus dem Häuschen. Da stecken so viele Emotionen drin."

Panini-Team stellt Kader zusammen

In Modena werden täglich Millionen Bilder produziert, zufällig ausgewählt, verpackt und zum Abtransport auf die Laderampe gebracht. Fußball-Sticker sind ein Millionengeschäft, und Europa ist ein zentraler Markt für Panini. Seit die Firma die Bildrechte der Fußball-Bundesliga an den US-Konkurrenten Topps verloren hat, haben die WM- und EM-Turniere extrem an Bedeutung gewonnen. Derzeit wird rund um die Uhr gearbeitet.

Die Auswahl der Spieler beginnt bereits Anfang des Jahres. Ein Panini-Team stellt den Kader zusammen, selektiert wird auf Basis der jüngsten Nominierungen und des bevorzugten Spielsystems. Bei Deutschland lagen die Macher bis auf den ausgemusterten Marcel Schmelzer richtig - Miroslav Klose ist auch im 17 Spieler umfassenden deutschen Panini-Kader der einzige Stürmer.

Das harte Geschäft interessiert die Sammler-Gruppe um Thomas Unger und Alexander Dienst wenig. Auch Frank Ortmann ist mittlerweile einer von ihnen. Der Bochumer konnte früher wenig mit dem Hobby seiner damaligen Freundin und heutigen Frau anfangen, die zur Heim-WM 2006 sammeln wollte. "Ich habe gefragt: Sag mal, wie alt bist du eigentlich? Willst du für den Mist wirklich Geld ausgeben?", erzählt Ortmann. 2010 erwischte ihn dann selbst das "Sammelfieber": Den Hochzeitstermin zauberte er vor vier Jahren ins heimische Wohnzimmer — mit zwei Alben und 140 Panini-Tütchen.

(sid)
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