DFB trennt sich von Bierhoff Zu spät, aber gerade rechtzeitig

Meinung | Düsseldorf · Die Trennung des DFB von seinem Geschäftsführer kommt angesichts der Misserfolge seit 2018 reichlich spät - im Hinblick auf die Heim-EM 2024 aber immer noch rechtzeitig.

Sammer, Lahm, Rangnick: Das sind mögliche Bierhoff-Nachfolger
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Das sind die möglichen Bierhoff-Nachfolger beim DFB

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Foto: dpa/David Inderlied

„Es war nicht alles schlecht.“ Diesen Satz findet man gerade – unter vielen anderen – in den sozialen Netzwerken, wenn man sich anschaut, was Fußballfans zum Ende Oliver Bierhoffs als DFB-Geschäftsführer so schreiben. Doch hat Bierhoff diesen Satz als Fazit seiner Arbeit nach über 18 Jahren wirklich verdient?

Nach dem EM-Debakel 2004 in Portugal machte Bierhoff als neu installierter Manger der Nationalmannschaft vieles richtig. Unumstritten war er zwar nie, doch fiel unter seine Leitung eine sportlich enorm erfolgreiche Zeit. Bei den Turnieren zwischen 2006 und 2016 erreichte die DFB-Elf stets mindestens das Halbfinale. 2014 gab es den Weltmeister-Titel. Bierhoff und „sein“ Campo Bahia, wo die Nationalspieler während des Turniers in Brasilien wohnten, gebührt nach Aussagen aller Beteiligten von damals ein großer Anteil daran. Bierhoff hat es im positiven Sinne mitzuverantworten, dass ab dem „Sommermärchen“ 2006 eine riesige Euphorie um die Nationalelf ausbrach, von der ganz Fußball-Deutschland profitierte.

Richtig ist aber auch, dass seit dem Titel vor acht Jahren in Rio sportlich kaum eine Weiterentwicklung stattfand. Bierhoff trieb seither vor allem die Kommerzialisierung der Nationalmannschaft voran, der Slogan „Die Mannschaft“, der nach dem Titel 2014 geschaffen wurde, steht sinnbildlich dafür. Dabei verlor er den Kontakt zur Basis, vor allem zu den Fans. Der Tiefpunkt hierbei war die WM 2018, als sich das Team im Quartier in Russland abschottete und nach internen wie externen Querelen letztlich sang- und klanglos ausschied. Auch der Aufenthalt in Katar wird ähnlich in Erinnerung bleiben.

2018 wäre wohl der richtige Moment gewesen, indem der DFB hätte erkennen müssen, dass es einen Neuanfang braucht. Doch den gab es nicht, es benötigte erst zwei erneute Turnier-Misserfolge mit weiteren Fehlentscheidungen Bierhoffs. In diesem Jahr zum Beispiel 100 Kilometer von Katars Hauptstadt Doha zu residieren, wo sich so ziemlich alles bei dieser WM abspielt, sorgte nur für zusätzliche, außersportliche Störungen. Als ob es davon nicht schon genug gegeben hätte.

WM 2022: Pressestimmen zum Bierhoff-Aus beim DFB​
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Pressestimmen zum Bierhoff-Aus beim DFB

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Der DFB musste jetzt handeln. In anderthalb Jahren steht die EM in Deutschland vor der Tür. Die DFB-Elf ist aktuell mal wieder am Boden. Die Fans sind entfremdet und haben keine Lust mehr auf die Nationalmannschaft. Nicht nur, aber auch die TV-Quoten verdeutlichen dies. Dass 2024 ein neues „Sommermärchen“ geschrieben wird, scheint derzeit äußerst fraglich. Damit es klappt, braucht es neue, unverbrauchte Gesichter mit neuen Ideen. So wie 2004, als Bierhoff gemeinsam mit Jürgen Klinsmann übernahm.

Oliver Bierhoff kommt nach dem WM-Aus am Flughafen München an.

Oliver Bierhoff kommt nach dem WM-Aus am Flughafen München an.

Foto: dpa/Lennart Preiss

Es war also wirklich „nicht alles schlecht“ unter Bierhoff, keinesfalls. Er hat als Funktionär viel bewegt. Sportlich war er an dem Desaster in Katar zwar nicht unmittelbar beteiligt, aber seine Entscheidungen trugen mit dazu bei. Auch ist er verantwortlich für die Entwicklung von Talenten, die nach dem Vorrunden-Aus von Bundestrainer Hansi Flick so kritisiert wurde. Für Bierhoff war es nun an der Zeit zu gehen. Der DFB handelte ein paar Jahre zu spät, aber zumindest immer noch rechtzeitig, um bei der Heim-EM für neue Euphorie und Aufbruchsstimmung zu sorgen. Die braucht es um jeden Preis. Man muss nun nur aufpassen, dass Bierhoff nicht zum Bauernopfer wird und eine echte Erneuerung stattfindet.

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