Einseitiges Beratergremium Der DFB braucht für die Neuausrichtung mehr Vielfalt und Experten von außen

Meinung | Düsseldorf · Der DFB verbaut sich mit seinen beiden Beratergruppen die Chance auf wichtige neue Impulse und Hilfe von außen. Gerade ein so großer Verband darf nicht zu stolz sein, von den Erfahrungen anderer zu profitieren.

 Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), spricht im DFB-Campus während der Pressekonferenz.

Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), spricht im DFB-Campus während der Pressekonferenz.

Foto: dpa/Arne Dedert

Dem Deutschen Fußball-Bund fehlt es an der Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, um Veränderungen und Verbesserungen anzustoßen. Nach dem erneuten Scheitern der Männer-Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft holt sich Präsident Bernd Neuendorf zwar ein Expertengremium ins Haus, doch das ist am Ende auch lediglich mit Größen aus dem deutschen Fußball besetzt, alle sind männlich und aktuelle oder frühere Funktionäre von Topklubs aus der Bundesliga.

Es sei nicht ihr erstes Kriterium gewesen, in diesem Fall für Vielfalt und Diversität zu sorgen, sagte Neuendorf. „Hier ist es einfach so, dass wir Menschen brauchen, die über eine Menge Erfahrung verfügen, die in der Männer-Nationalmannschaft gespielt haben, die für den DFB gearbeitet haben, die über einen reichen Erfahrungsschatz im Profigeschäft, die über eine Reihe von Kontakten verfügen“, erklärte der DFB-Präsident weiter. Das ist insoweit verständlich, dass der DFB für neue Konzepte und vor allem Veränderungen bei der Spielerausbildung die Unterstützung der Profivereine braucht, die eben die Talente finden, in ihren Nachwuchsleistungszentren ausbilden und später in die Bundesliga holen.

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Foto: AFP/ANDRE PAIN

Die oft kritischen Vertreter von Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder auch RB Leipzig direkt in die Beratungen einzubeziehen, mag aus Sicht des DFB strategisch clever sein. Dennoch fehlt die Perspektive der kleineren Vereine, auch diese sind wichtig für das Gesamtsystem. Und in den Amateurvereinen beginnt die Ausbildung möglicher neuer Superstars ja gar erst. So nah an den Problemen der Basis wie die Amateurvertreter selbst, dürfte aus dem Expertenkreis kaum einer sein.

Ebenso könnten Vertreterinnen aus dem Frauenfußball wichtige Aspekte einbringen. Immerhin hat die Frauen-Nationalmannschaft unter Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und ihrem Team gerade erst einen Neuanfang gestaltet. Natürlich, das Wissen ist im DFB vorhanden, aber Vertreterinnen aus dem Bereich Frauenfußball könnten ihre Erfahrung als Teil des Beraterteams viel unmittelbarer einbringen. Doch das Ziel des Verbandes scheint ein anderes zu sein, eher auf schnelle, kurzfristige Änderungen als auf einen grundsätzlichen Neuaufbau ausgerichtet zu sein.

Die Chance auf Impulse von außen, konstruktive Kritik und einen vielfältigeren Blick auf die Strukturen, mögliche Probleme und ungenutzte Potenziale nimmt sich der Verband so. Daran ändert auch die zweite von Neuendorf eingesetzte DFB-interne Arbeitsgruppe nicht viel. Zwar gehören zu der mit DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich und DFB-Vizepräsidentin Celia Sasic auch zwei Frauen, aber wie das Wort DFB-intern schon sagt, fehlen auch hier Berater aus anderen Kreisen. Der Deutsche Fußball-Bund kocht zumindest in diesen prominent besetzten Kreisen erneut in seiner eigenen Suppe.

Die Diskussion um die One-Love-Binde hat bei dieser WM zum Beispiel einmal mehr gezeigt, dass es in dem Verband auch an guten Kommunikationsstrategien mangelt. Einen ausgewiesenen, externen Experten für zum Beispiel Kommunikation in Krisen- oder Ausnahmesituationen findet man in den Beratergruppen nicht. Auch die Erfahrungen anderer großer Unternehmen aus Wirtschaft oder Sport könnten hilfreich sein.

Und warum sollten nicht andere Sportverbände auch dem großen DFB helfen können? Die Fußball-Nationalmannschaft ist ja nun nicht die erste deutsche Mannschaft oder Sportart, die ihre Ziele verfehlt. Ob im Handball, Hockey oder auch Wintersport – zahlreiche Verbände mussten ihre Arbeit und Nachwuchsförderung schon hinterfragen. Manche sind aktuell in einer ähnlichen Lage wie der DFB. Warum also nicht sich austauschen? Warum also nicht – um nur ein Beispiel zu nennen - Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder fragen, wie er den Umbruch in seinem Bereich vorantreibt, welche innovativen Trainingsmethoden es vielleicht gibt, die auch im Fußball helfen könnten? Entwicklungen, die in anderen Sportarten verpasst und nun aufgeholt werden, könnten auch im Fußball verpasst worden sein. Erkenntnisse aus anderen Sportarten können auch für den Fußball wichtig sein und umgekehrt.

Wissen auszutauschen und Kräfte zu bündeln, fällt Verbänden mit ihren manchmal langsamen und alten Strukturen, mit dem Fokus auf den eigenen Erfolg, nicht leicht. Doch allmählich sollte ihnen klar geworden sein, dass man sich durch den Austausch nicht nur Arbeit teilen, sondern auch einen Wissens- und Ressourcenvorsprung verschaffen kann. Ein wichtiger Faktor für internationalen Erfolg.

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Foto: dpa/Mike Egerton

Möglich, dass der DFB sich diese externen Eindrücke und Ratschläge außerhalb der beiden Arbeitsgruppen holt, dass das Beratergremium solche Meinungen einholt, bewertet und dann wiederum einbringt. So, wie die Mission „Neuaufbau“ aber vorgestellt wurde, drängt sich der Eindruck auf, dass der DFB trotz aller offenkundigen Probleme die Lösung dafür in sich selbst sieht.

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