0:6-Klatsche gegen Frankreich Australien feuert Nationaltrainer Holger Osieck

Paris · Holger Osieck schien nach dem Abpfiff zu ahnen, was folgen würde: Mit gesenktem Haupt, die Hände in den Hosentaschen seines Anzugs verborgen, stapfte Australiens Nationaltrainer nach dem 0:6 (0:4) gegen Frankreich gedankenverloren und mit finsterer Miene über den Rasen des Pariser Prinzenpark-Stadions. Zum zweiten Mal hintereinander hatten die Socceroos damit die "Tennis-Höchststrafe" - zuvor ebenfalls ein 0:6 gegen Rekord-Weltmeister Brasilien am 7. September in Brasilia - erlitten.

WM-Test: Frankreich deklassiert Australien
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"Natürlich haben wir eine dicke Packung hinnehmen müssen, aber man muss auch die Qualität des französischen Teams bedenken", hatte Osieck nach dem Spiel gesagt. Angesprochen auf mögliche Konsequenzen hatte er erklärt: "Dafür bin ich nicht zuständig. Nach zwei hohen Niederlagen werden immer die Diskussionen angeheizt. Ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, was kommt. Die Verdienste der Vergangenheit zählen nicht mehr, das ist sicher!" Genauso kam es. Die Trennung von Osieck wurde nur wenige Stunden nach der Pleite an der Seine bekannt gegeben.

"Diese Entscheidung basiert auf der geplanten Verjüngung unseres Teams im Hinblick auf die Weltmeisterschaft und die Asien-Meisterschaft", sagte Verbandschef Frank Lowy. Aurelio Vidmar wird die Aussies am Dienstag im Länderspiel gegen Kanada als Interims-Coach betreuen.

"Danke und alles Gute, Boss!"

Seine bisherigen Schützlinge brachten ihrem Ex-Coach große Hochachtung entgegen. "Wir möchten Holger dafür danken, uns die dritte WM-Teilnahme beschert zu haben. Es ist das erste Mal, dass jemand entlassen wird, der uns zur WM geführt hat. Ein trauriger Tag für den Fußball in Oz", twitterte Starspieler Tim Cahill. Kapitän Lucas Neill erklärte in seinem Tweet: "Australien sollte stolz und dankbar sein. Asien-Cup-Finale und WM-Qualifikation - danke und alles Gute, Boss!"

Osieck war trotz der bereits sicheren Teilnahme an der WM-Endrunde 2014 in Brasilien zuletzt heftig unter Druck geraten. Allerdings war die erneut trostlose Vorstellung der australischen Mannschaft in der französischen Hauptstadt ausschlaggebend für den Rauswurf des einstigen Assistenten von Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer gewesen. Mit dem Kaiser hatte Osieck den WM-Titel 1990 in Italien geholt.

Sein Vertrag mit dem australischen Verband FFA wäre im kommenden Sommer nach der WM nach vier Jahren ausgelaufen. "Wir haben eine strategische Perspektive, uns bei der WM im kommenden sehr gut zu verkaufen. Außerdem wollen wir als Gastgeber beim Asien-Cup 2015 eine Mannschaft haben, die den Turniersieg davontragen kann", betonte Lowy. Beide Ziele, so offenbar die Meinung des Verbandes, waren mit Osieck als Chefcoach nicht zu realisieren. Unter dem deutschen Fußballlehrer hatten die Socceroos in 44 Länderspielen 23 Siege Siege, zehn Unentschieden und elf Niederlagen verbucht.

Die australischen Fans wünschen sich am liebsten wieder den Niederländer Guus Hiddink, der die Mannschaft bei der WM 2006 in Deutschland betreut hatte. Damals hatte die Australier im Achtelfinale in Kaiserslautern gegen den späteren Weltmeister Italien (0:1) nur hauchdünn eine Sensation verpasst.

Der 65 Jahre alte Osieck, der in der Bundesliga den VfL Bochum trainiert hatte, war nach der WM 2010 Nachfolger des Niederländers Pim Verbeek geworden. Der gebürtige Homberger hatte sich mit den Australiern nach anfänglichen Schwierigkeiten am letzten Spieltag der Asien-Ausscheidung direkt für die WM-Endrunde in Brasilien qualifiziert und damit seine Kritiker kurzzeitig zum Verstummen gebracht.

In Paris hatte Bayern-Star Franck Ribery den Torreigen mit einem umstrittenen Handelfmeter in der achten Spielminute eröffnet. "Das Ergebnis ist super für die Equipe. Ich habe das, was mir derzeit bei den Bayern gelingt, nun auch bei den 'Bleus' umsetzen können", sagte Europas Fußballer des Jahres. Arsenals Olivier Giroud (2), Yohan Cabaye, Mathieu Debuchy und Karim Benzema erzielten die weiteren Treffer.

(sid)
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