Play-offs gegen Australien Syriens Hoffnung auf die WM lebt weiter

Düsseldorf · Eine ganze Nation hofft auf die Teilnahme in Russland 2018. Der Fußball dient der Identifikation.

WM-Qualifikation: Syrien jubelt über Einzug in Play-offs
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Syrien jubelt über Einzug in die Play-offs

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Foto: ap, VS

93 Minuten sind in Teheran absolviert. Das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad an, die Spieler der syrischen Nationalmannschaft mobilisieren die letzten Kräfte im Azadi-Stadion. Sie gastieren im Zuge der Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Russland beim bereits qualifizierten Iran. Das Team steht mit dem Rücken zur Wand, es liegt mit 1:2 zurück. Die Voraussetzungen sind klar: ein Tor, und Syrien steht zumindest in der finalen Ausscheidungsrunde um die Play-offs. Wenige Sekunden vor Abpfiff bekommt Stürmer Omar Al-Soma einen Pass in den Lauf gespielt. Kurzer Blick in Richtung des gegnerischen Tores, Schuss, der Ball geht durch die Beine des iranischen Torhüters - Tor für Syrien.

In rund 1000 Kilometern Entfernung steht ein gesamtes Land kopf. Allein die anhaltende Chance, sich für die WM zu qualifizieren, ist eine große Überraschung. Syrien belegt Rang 80 der Fifa-Weltrangliste. Im Land selbst ist seit langem kein regulärer Spielbetrieb mehr möglich. Der Großteil der Nationalspieler verdient sein Geld in den umliegenden Golfstaaten. Im Oktober spielt Syrien nun gegen Australien um den asiatischen Platz für die anschließend entscheidenden Play-offs gegen den Vertreter aus Nord- oder Mittelamerika. Es wären vier Auswärtsspiele bis zur Endrunde in Russland 2018.

Aber als Gast anzutreten, ist für Syrien nichts Ungewöhnliches. Aufgrund des Bürgerkrieges muss das Team seit 2011 seine Heimspiele auf neutralem Boden austragen. Häufig in Malaysia - 7500 Kilometer von der eigenen Heimat entfernt und ungefähr so weit weg von Syrien wie Düsseldorf vom südlichen Afrika. Die Spieler nehmen für diese Reisen große Anstrengungen in Kauf. Zudem lastet auf ihnen die Verantwortung für eine ganze Nation. Dennoch laufen sie bereitwillig für ihr Land auf. Um das übergeordnete Ziel zu erreichen, das Leid ihres Volkes zu mildern.

Immer wenn die Nationalmannschaft spielt, sieht man deshalb zwischen den von Bomben zerstörten Häuserkulissen in Aleppo, Damaskus und Homs weiterhin die Fernseher flackern. Die Auftritte der Fußballer sind einer der wenigen Momente, in denen sich die Einwohner noch mit ihrem Land als Einheit identifizieren können.

Mit einem kaputten Land, das nun durch dieses eine Tor von Teheran wieder neue Hoffnung auf seine erste WM-Teilnahme schöpft. "So Gott will, wird die Reise weitergehen. Die Qualifikation beginnt für uns jetzt wieder neu. Alle Spieler unseres Teams waren Helden auf dem Platz", sagt Torschütze Al-Soma zum 2:2 nach Abpfiff pathetisch. Ausgerechnet er hält die Hoffnung eines ganzen Landes am Leben. Der unbestritten beste Fußballer der Nation feierte den Sieg bei der westasiatischen Meisterschaft 2012 mit der Flagge des Aufstandes. Danach boykottierte der 28-Jährige aus Protest gegen Machthaber Baschar al-Assad die Spiele der Nationalmannschaft. In der spielen Unterstützer des Regimes wie auch Kritiker.

Erst in der vorherigen Partie gegen Katar kehrte er zurück - und ist nun der Held eines ganzen Volkes. Im Oktober geht es für die Syrer in das über 12.000 Kilometer entfernte Australien. Für viele Fußballer eine wahre Tortur, für die syrische Nationalmannschaft längst Normalität.

Doch an diese Spiele gegen die Socceroos denkt in Syrien noch niemand. Der Besuch im Stadion ist für viele unmöglich. Und so liegen sich nach dem Ausgleich in letzter Minute in den Straßen Syriens wildfremde Menschen in den Armen. In einem Moment, in dem die krisengebeutelten Bürger vergessen können. In dem der Krieg weit weg erscheint. In dem der große Traum einer ganzen Nation neue Nahrung findet.

(RP)
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