WM-Qualifikation Brasilien beeindruckt sich selbst

Montevideo · Während die Brasilianer in der südamerikanischen WM-Qualifikation von Sieg zu Sieg und damit schnurstracks gen Russland 2018 eilen, ist dahinter ein Auf und Ab in vollem Gange.

 Neymar jubelt über sein Traumtor.

Neymar jubelt über sein Traumtor.

Foto: ap, TS

Ein eigentlich abgeschobener China-Legionär im Torrausch, ein angehender Weltfußballer im Zaubermodus, ein nicht mehr ganz so namenloser Trainer auf Rekordjagd: Nach der historischen Nacht von Montevideo mit dem 4:1 (1:1)-Triumph über Verfolger Uruguay fragte sich nicht nur Brasiliens Coach Tite: "Ich weiß nicht, wie weit sich das Team noch steigern kann."

Sieben Siege in Folge in den Eliminatorias, das hatte vor Tite noch kein Selecao-Trainer geschafft. Zwar geriet der Rekord-Weltmeister erstmals unter dem 55-Jährigen, der zuvor allenfalls beim Klub-WM-Triumph mit dem SC Corinthians 2012 kurz weltweit wahrgenommen worden war, in Rückstand, brachte Uruguay dennoch die erste Heimniederlage im laufenden Wettbewerb und die erst zweite in gemeinsamen Qualifikations-Duellen ein.

"Das war mehr, als ich mir erträumt hatte", gestand der neue Mann auf der Bank, der anders als sein Vorgänger Dunga der Selecao nach der Schmach bei der Heim-WM 2014 wieder Selbstvertrauen und Spielkultur einimpfte. Dass man mit einem Sieg am Dienstag gegen Paraguay und bei gleichzeitigen Niederlagen von Ecuador (gegen Kolumbien) und Chile (gegen Venezuela) die Fahrkarte nach Russland vorzeitig lösen könne, interessiert ihn dennoch nicht. "Ich mache keine Rechenspiele, mein Fokus ist die Leistung", antwortete Tite trocken.

Hinter Brasilien geht es eng zu

Doch während die Brasilianer (30 Punkte) mit bereits sieben Zählern Vorsprung auf Platz zwei so gut wie durch sind, ist dahinter das Gerangel um eines der vier WM-Direkttickets groß. Den Tabellenzweiten Uruguay (23) trennen bei noch fünf ausstehenden Spieltagen nur drei Punkte vom Südamerika-Champion Chile (20), der als Sechster gar die WM verpassen würde. Der Tabellenfünfte Ecuador (20) könnte immerhin den Umweg Play-offs gegen den Ozeanien-Sieger nehmen.

Das Auf und Ab ist in vollem Gange: Argentinien (22) kletterte mit dem 1:0 (1:0) gegen Chile von Rang fünf auf Platz drei, Kolumbien (21) mit einem 1:0 (0:0) gegen Bolivien von sechs auf vier. Und selbst das siebtplatzierte Paraguay (18), am Dienstag in Brasilien zu Gast, hat nach einem 2:1 (1:0) gegen Ecuador noch Chancen. Dagegen verlor der Tabellenachte Peru (15) mit dem 2:2 (0:2) bei Schlusslicht Venezuela weiter an Boden.

In Montevideo war ein China-Legionär Held des Abends. Mittelfeldspieler Paulinho erzielte sein erstes Tor-Triple im kanariengelben Trikot mit einem Kracher à la Lukas Podolski (18.), einem coolen Abstauber (53.) und wuchtiger Brust (90.+1). Zwar jubelten die 55.000 Zuschauer im Estadio Centenario nach dem Elfmetertor von Edinson Cavani, der im Uru-Sturm ohne den gelbgesperrten Torjäger Luis Suarez Alleinunterhalter war, schon früh (8.), mussten sich aber spätestens nach einem Traumtor von Weltstar Neymar per Lupfer (75.) die Olé-Rufe aus dem Gästeblock anhören.

In Buenos Aires zitterte sich Argentinien trotz der frühen Führung nach einem umstrittenen Strafstoß durch Superstar Lionel Messi (16.) zum Sieg gegen die Chilenen, denen der gelbgesperrte Münchner Arturo Vidal fehlte, während der Leverkusener Charles Aranguiz eine gute Partie für La Roja ablieferte. "Ein russischer Wodka, um auf den Sieg anzustoßen und sich zu betrinken. So vergisst man am besten, wie schlecht man gespielt hat", schrieb ironisch die Tageszeitung "La Nacion".

Ein zweifelhafter Elfmeter erlöste auch Kolumbien. Diesen verwandelte James Rodriguez, Edelreservist bei Real Madrid, in der 83. Minute auch noch erst im Nachschuss. Bis dahin hatte sich Bolivien tapfer gewehrt. Das Andenteam erwartet am Dienstag Argentinien auf 3600 m Höhe in La Paz. Dann geht nicht nur für Messi und Co. das russische Roulette weiter.

(sid)
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