Kritik am Superstar Neymars Individualismus nervt die Brasilianer

Sao Paulo · Brasilien hat den Start ins WM-Turnier verpatzt. Während Superstar Neymar mit den Fouls im Auftaktspiel (1:1 gegen die Schweiz) hadert, diskutiert man daheim seine selbstsüchtige Leistung zwischen den Tritten.

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Foto: REUTERS/Marko Djurica

Fragt man einen Brasilianer, was "fominha" bedeutet, antwortet er: Einer, der dir den Ball nicht abgibt. Der aufs Tor schießt, obwohl alle besser stehen. Eben einer, der im Mannschaftssport Individualist ist. "Neymar, o fominha" - der Ballhungrige, liest, sieht und hört man seit Sonntag, seit dem 1:1 gegen die Schweiz, immer mehr in Brasiliens Medien.

Im Auftaktspiel der Selecao bei der Fußball-WM in Russland war der Star von Paris St. Germain bei 10 der 19 Fouls der Eidgenossen das Opfer, verbrachte den Tag danach komplett mit den Physiotherapeuten, humpelte im Training nach nur wenigen Minuten vom Platz. Und bleibt bis zum Duell am Freitag in St. Petersburg mit Costa Rica (14.00 Uhr/ZDF und Sky) das Frage- und Ausrufezeichen.

Am Zuckerhut macht sich Unmut breit

Doch statt lähmenden Entsetzens, wie nach seinem Wirbelbruch bei der Heim-WM 2014, weshalb er das Halbfinale mit dem 1:7-Debakel gegen Deutschland verpasste, macht sich am Zuckerhut eher Unmut breit. "Neymar entzieht sich der Philosophie Tites", klagt das Online-Portal UOL. Die Tageszeitung „Zero Hora“ kommentiert gar: "Brasiliens Star schadet dem Team mit seinen übertriebenen Dribblings."

Im September vergangenen Jahres, als der Stürmer gerade für unbegreifliche 222 Millionen Euro zu Paris St. Germain gewechselt war, stellte Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu nüchtern klar: "Natürlich ist es besser, talentierte Spieler im Team zu haben. Für Barca ergibt sich aber nun die Möglichkeit, mit dem Dreigestirn Messi-Suarez-Neymar zu brechen und auf ein mannschaftsdienlicheres Spiel zu setzen."

Wie es auch Selecao-Coach Tite nach langen Jahren der "Neymardependencia", der Abhängigkeit von einem durch Werbefilmchen, Haarstyling und Promi-Liebschaft mit dem nationalen Fernsehsternchen Bruna Marquezine aufgebautem "Produkt", fordert. Ohne Neymar gewann die Selecao 2018 den schweren Test bei WM-Gastgeber Russland (3:0) und die Revanche gegen Deutschland (1:0), mit Toren von ihm gegen Kroatien (2:0) und Österreich (3:0).

Gegen die Schweiz suchte Neymar 28 die Eins-zu-Eins-Situation, mehr als doppelt so viel wie die Nummer zwei in der Statistik, Willian. Die Konzentration der Verteidigung auf ihn schafft theoretisch Lücken, praktisch bleiben aber er, sein Körper und damit auch der Ball zu oft an den gegnerischen Beinen hängen.

Vor der WM äußerte bereits Altstar Careca Unwillen. "Ich denke, er sollte kollektiver spielen, weil es dann auch ihm leichter macht, eine bessere Leistung zu zeigen. Er wird gejagt und muss deshalb die Verantwortung abgeben", sagte der zweimalige WM-Teilnehmer.

"Sie treten mich, ich spiele Fußball“

Aber Neymar verteidigt sich: "Sie treten mich, ich spiele Fußball. Sie provozieren mich, aber das kann ich auch, auf meine Art und Weise, mit dem Ball", äußert der PSG-Superstar eher uneinsichtig.

Ob ihn jetzt die Verletzung, als Folge der Operation des gebrochenen rechten Fußes oder nach dem Pressschlag auf den Knöchel des schon lädierten rechten Beines, anders als viele seiner Gegenspieler stoppen kann, werden die nächsten Tage zeigen.

(old/sid)
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