"Ich liebe diesen Jurgen" Jürgen Klinsmann - und wie ihn Amerika sieht

San Francisco · Jürgen Klinsmann - und wie ihn Amerikaner sieht: Mike Woitalla, verantwortlicher Redakteur beim Fachmagazin SoccerAmerica, beschreibt das Verhältnis seiner Landsleute zum deutschen Trainer.

Jürgen Klinsmann bejubelt Siegtreffer von John Brooks
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Klinsmann bejubelt Siegtreffer von Brooks

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"Ich liebe diesen Jurgen", sagt der 30 Jahre alte Mann in einer Bar in San Francisco. Dieser "Jurgen", Jürgen Klinsmann, ist gerade in einer Highlight-Show zu sehen: Er bejubelt einen Treffer der USA im Spiel gegen Portugal.

Dieser Gefühlsausbruch fasst sehr gut die Gefühle der Amerikaner für ihren deutschen Trainer zusammen. Egal, ob sie nun der Mann in dieser Bar sind, ein Mann, der offensichtlich vom "World Cup fever" neu befallen ist. Oder ob es sich um langjährige Fans der USA handelt, denen der Erfolg des amerikanischen Soccer am Herzen liegt.

Die Amerikaner haben sich in diesen enthusiastischen, lächelnden Klinsmann während der WM 2006 verliebt - und schon da mag ein gewisser Stolz mitgespielt haben, dass er mit seiner amerikanischen Frau und seinen drei Kindern in Kalifornien lebt.

Als ihn der amerikanische Verband U.S. Soccer (oder USSF) Ende 2006 verpflichten wollte, seine Unterschrift aber nicht bekam, waren die amerikanischen Fans enttäuscht und verärgert.

WM 2014: US-Fans bejubeln Jürgen Klinsmanns ersten Sieg
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US-Fans bejubeln Klinsmanns ersten Sieg

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Foto: ap

Fünf Jahre später bekamen sie ihren Mann.

Seit der Verpflichtung von David Beckham durch die Major League Soccer (MLS) 2007 hat keine Ankündigung aus der Soccer-Szene in den USA für so viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt wie die Pressekonferenz in New York am 29. Juli 2011, als die USSF Klinsmann vorstellte: Amerikas ersten Celebrity Coach.

Der Erlöser war gekommen, so jedenfalls war der Eindruck angesichts all der Zuversicht, die diese Ernennung begleitete. Ein paar Jahrzehnte lang stagnierten die USA nun schon - sie qualifizierten sich für World Cups, brachten dort aber wenig zustande.

Klinsmann sprach nun davon, einen American Style of Play einzuführen - einen Stil, der den multikulturellen Kader widerspiegelt. Der jenen aufregenden, offensiv-orientierten Soccer spielt, nach dem sich die Amerikaner so lange gesehnt haben. Andere Dinge, die Klinsmann sagte, schienen nicht so viel Sinn zu ergeben. Gut, wenn Klinsmann sie sagte, mussten sie ja stimmen. Man hinterfragt den Erlöser nicht.

Dass Klinsmann so viele deutsche Spieler rekrutierte, schien niemanden zu stören. Und jene, denen das nicht gefiel und die sowieso alles kritisierten, was Klinsmann machte, mussten feststellen: Die Fans verteidigten ihn. Nur die Ausbootung von Landon Donovan aus dem WM-Kader sorgte für Unstimmigkeiten, aber Klinsmann ging aus dieser Situation noch selbstsicherer hervor.

Wirklich erfolgreich ist Klinsmann bereits in der Rolle als Leader der amerikanischen Soccer-Familie, in allen Bereichen. Seine Vorgänger kümmerten sich um den Nachwuchs, sie hatten auch Einfluss auf die Entwicklung junger Spieler und die Ausbildung der Trainer, aber Klinsmann spricht häufiger über diese Themen und hat einen bislang unbekannten Draht zur Basis.

Klinsmann spricht zu Eltern und Nachwuchstrainern über die Bedeutung von Spaß und ungezwungenem Spiel im Jugendbreich. Er hinterlässt bei Trainern auf den unteren Ebenen das Gefühl, dass ihn interessiert, was sie tun.

Klinsmann ist in der Tat ein großer Kommunikator. Das macht ihn populär bei den Medien, deren Fragen er immer höflich und ausführlich beantwortet. Er spricht zu den Fans über Twitter, bedankt sich häufig bei ihnen, und vor jedem Heimspiel der Nationalmannschaft gibt es einen "fan day" mit einem öffentlichen Training.

Und dann sind da noch sein Lächeln und seine positive Körpersprache. Auch wenn man davon ausgehen könnte, dass er aufgebracht ist oder nervös, kommt er selbstbewusst rüber und wie ein Mann, dem sein Job wirklich gefällt.

Wenige in den USA haben erwartet, dass die USA nach zwei Spielen vier Punkte haben, noch dazu nach zwei Spielen, die für so viele dramatische Momente gesorgt haben. Dieser starke Auftakt hat den Glauben daran gestärkt, dass Klinsmann die Amerikaner stärker gemacht hat.

Wie immer das Spiel gegen Deutschland auch ausgeht - die Amerikaner werden wohl weiter daran glauben, dass Klinsmann der Richtige für sie ist.

(sid)
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