Gastgeber setzt gegen Kroatien auf Defensive Brasilien nimmt Abschied vom Ballzauber

Sao Paulo/Düsseldorf · Der Gastgeber und Titelfavorit lebt von seiner neuen Defensivqualität. Die bärenstarke Innenverteidigung ist das Herzstück der Selecao.

Brasilien - Kroatien: Fakten
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Foto: dpa, sam

Über Jahrzehnte hinweg war Brasilien für Fußballfans aus aller Welt gleichbedeutend mit Ballzauber, Offensivgeist und Spielfreude. Dafür standen Namen wie Pele, Zico, Socrates, Romario oder Ronaldo — und während jedem die Namen solcher Kreativspieler und Torjäger locker über die Lippen kommen, sind die meisten brasilianischen Defensivakteure in der breiten Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten.

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Foto: dpa/Christian Charisius

Wenn am Freitagabend (22 Uhr/Live-Ticker) mit dem Spiel des Gastgebers gegen Kroatien die WM-Endrunde 2014 beginnt, stehen auf den ersten Blick natürlich wieder die Angreifer im Mittelpunkt, allen voran Hoffnungsträger Neymar vom FC Barcelona. Und doch hat sich gegenüber all den Weltmeisterschaften zuvor Entscheidendes verändert: Bei allen technischen Fähigkeiten, die die Mitglieder des brasilianischen Kaders sicherlich auszeichnen, steht nunmehr die Effektivität über allem anderen. Aus den oft selbstverliebten Ballzauberern sind gnadenlose Ergebnisfußballer geworden. Brasilien — die Italiener Südamerikas.

Seit der 0:1-Niederlage im Freundschaftsspiel gegen die Schweiz im August 2013 in Basel hat die Selecao die folgenden neun Testländerspiele allesamt gewonnen, mit einem Torverhältnis von 30:2. Lediglich der Portugiese Raúl Meireles und Chiles Eduardo Vargas vermochten es, Brasiliens Deckung zu überraschen — ein Kunststück, das in diesem Jahr niemandem mehr gelang. So kommt es, dass der Optimismus im Trainingscamp des WM-Gastgebers in Teresopolis vor allem auf der eigenen Defensivstärke fußt. "Ich glaube, dass wir die beste Abwehr haben mit David Luiz und Thiago Silva", sagt Luiz Gustavo, 26-jähriger Mittelfeldspieler des Bundesligisten VfL Wolfsburg.

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Auch er gehört auf der Doppel-Sechs neben Paulinho von Tottenham Hotspur zu diesem Defensivverbund. Die beiden bilden ein Gespann, das laufstark ist und auch im Zweikampf ordentlich zupacken kann — Qualitäten, die früher in Brasilien mitunter vernachlässigt wurden. Dass sie nun einen ganz anderen Stellenwert besitzen, zeigt Gustavos selbstbewusste Aussage in Sachen Topstar Neymar. "Die Selecao ist darauf vorbereitet, mit oder ohne ihn zu spielen", meint der Wolfsburger. "Vielleicht ändert sich unser Stil, aber wir werden deshalb nicht besser oder schlechter spielen."

"Wir haben die teuerste Abwehr der Welt"

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Foto: dpa/Ricardo Mazalan

"Wir haben die teuerste Abwehr der Welt", ergänzt Carlos Alberto Parreira, 71-jähriger Sportdirektor und Weltmeister-Trainer von 1994. "Wir haben erfahrene Spieler von großer Qualität, die in aller Welt respektiert sind. Und wir spielen zu Hause. Klar sind wir Favorit." Herzstück des brasilianischen Abwehrblocks ist die Innenverteidigung. Wie stark diese einzuschätzen ist, zeigt das sportliche Schicksal Dantes: Obwohl der 30-Jährige der vielleicht wichtigste Akteur in der Defensive eines der besten Klubs der Welt - des deutschen Meisters Bayern München - ist, muss er in der Selecao mit der Rolle des Innenverteidigers Nummer drei vorliebnehmen. Der Ex-Gladbacher steht im Schatten Thiago Silvas und David Luiz', muss auf seine Chance warten, die sich durch Verletzungen oder Sperren ergeben könnte.

Möglicherweise könnte Dante auch eine taktische Umstellung helfen. Luiz hat beim FC Chelsea schon häufig als Abräumer vor der Abwehr agiert, könnte diese Rolle auch im Nationalteam übernehmen. Dann wäre der Weg frei für Dante, an der Seite des Kapitäns Thiago Silva von Paris St. Germain den Laden dichtzuhalten. Silva zu verdrängen, scheint angesichts des Stellenwerts des 29-Jährigen ausgeschlossen.

Zwei Fragezeichen gibt es allerdings doch noch hinter der neuen Abwehrstärke des fünfmaligen Weltmeisters. Beide Stamm-Außenverteidiger, Dani Alves vom FC Barcelona und Marceló von Real Madrid, sind verkappte Außenstürmer und defensiv mitunter anfällig. Ihrem Trainer Felipe Scolari bereitet das kein Kopfzerbrechen. "Ich habe diesen Job angenommen", betont der Coach, "weil ich zu 100 Prozent sicher bin, dass ich mit Brasilien die WM gewinnen werde."

(RP)
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