Jube und Erleichterung beim Gastgeber Brasilien feiert Viertelfinal-Einzug wie WM-Triumph

Belo Horizonte · Brasilien atmete auf, Brasilien jubelte, Brasilien spielte verrückt: Nach dem Einzug ins Viertelfinale der WM hat das Gastgeberland schon mal für eine rauschende Titel-Party geübt. Das Drama gegen Chile in Belo Horizonte, das erst nach dem zehnten Elfmeter für die Selecao entschieden war (3:2 i.E.), erschütterte selbst den 350 Kilometer entfernten Fußball-Tempel Maracana in seinen Grundfesten.

WM 2014: Brasilien-Fans nach Viertelfinal-EInzug in Ekstase
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Brasilien-Fans nach Viertelfinal-Einzug in Ekstase

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Dort, wo am 13. Juli das Endspiel ausgetragen wird, lagen sich vor dem Spiel zwischen Kolumbien und Uruguay Tausende Menschen in den Armen, hüpften und schrien vor Glück - und feierten 15 Tage vor dem großen Finale so enthemmt, als habe es Brasilien gerade gewonnen.

Das Länder-Ranking im Elfmeterschießen
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Foto: AFP

"Danke, Selecao! Brasilien glaubt an euch. Ich vertraue dem Team von Felipao und Parreira. Mit Siegeswille, Tränen und den Paraden von Julio Cesar haben wir gewonnen", twitterte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff unmittelbar nach Spielende. "Es war ein schweres Stück Arbeit."

Vor allem aber war es ein Spiel, das auch die brasilianischen Fans gesundheitlich bis zum Äußersten trieb. Wie lokale Medien berichteten, starb ein 69-Jähriger an Herzversagen, als er den Showdown vom Punkt in einer Bar verfolgte. Gleich vier Zuschauer erlitten zudem im Mineirao-Stadion in Belo Horizonte eine Herzattacke, diese Vorfälle sollen jedoch nicht tödlich verlaufen sein.

Brasilien zittert sich mit Elfmeter-Drama gegen Chile ins Viertelfinale: Pressestimmen
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Achtelfinale, Brasilien - Chile: Pressestimmen

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Brasilien feiert Karneval im Winter

Ein Protest von WM-Gegnern in Rio de Janeiro, bei dem die Polizei Tränengas einsetzen musste, trübte die Stimmung nur kurzzeitig. Ohnehin wurde an der Copacabana auch ohne Autokorsos am lautesten gefeiert. Menschenmassen strömten nach dem Spielende auf die Straßen, sofern sie nicht schon ohnehin dort waren, und tanzten losgelöst und ungehemmt. Karneval im Winter, sozusagen.

Das Netz feiert Julio Cesar
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Foto: Screenshot Twitter

Und auch in den anderen elf WM-Städten wurde kräftig gejubelt. Allein in Sao Paulo zelebrierten mehr als 25.000 Fans im Rahmen der vom Weltverband FIFA organisierten Public-Viewing-Veranstaltung den Sieg ihrer Mannschaft. Feuerwerke erhellten den Himmel, ein ganzes Volk war mit einem Schlag "erlöst", wie es der Medienriese Globo auf seiner Internetseite treffend beschrieb.

Neben Superstar Neymar bedachten die Brasilianer dabei insbesondere Julio Cesar mit überschwänglichen Lobeshymnen. Der Torhüter, der im Elfmeterschießen zweimal parierte, "brilliert im Mineirao-Stadion von Belo Horizonte und verhindert das Mineirazo", hieß es bei der Internetzeitung IG in Anspielung an das in vielen brasilianischen Köpfen wohl in Erinnerung gerufene Maracanazo: Bei der WM 1950 hatte Brasilien das entscheidende WM-Spiel vor heimischer Kulisse im Maracana-Stadion gegen Uruguay 1:2 verloren.

Ein neuerlich Schreck blieb Brasilien (vorerst) erspart. Nachdem sich die erste Freude über die mit Glück bestandene Nervenprobe am Zuckerhut aber wieder gelegt hatte, konnten die stolzen Anhänger angesichts des knappen Sieges ihre Skepsis jedoch nicht mehr verbergen. "Brasilien leidet 120 Minuten. Es war eine harte Zeit", schrieb Meia Hora.

Für die Fußballbegeisterten in den sozialen Netzwerken hatte Brasilien seinen Status als WM-Anwärter Nummer eins zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon verloren. 16,3 Millionen Tweets und damit so viele wie bislang bei keinem Live-Event wurden während des Spiels allein bei Twitter verschickt. Eine der häufigsten Nachrichten: "Eines ist sicher: Den neuen Weltmeister haben wir hier nicht gesehen.".

(sid)
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