Kommentar zu Äußerungen nach Iran-Spiel Klinsmann, eine Schande?

Meinung | Düsseldorf · Mit seiner Bemerkung über Irans Nationalteam, die unsaubere Spielweise „sei Teil ihrer Kultur“, löst BBC-WM-Experte Jürgen Klinsmann zurecht massive Kritik aus. Warum das dennoch nicht zum Rassismus-Skandal taugt.

 Jürgen Klinsmann kommentiert die WM in Katar für die britische BBC.

Jürgen Klinsmann kommentiert die WM in Katar für die britische BBC.

Foto: dpa/Andreas Gora

Für Carlos Queiroz ist die Sache klar. Nichts Geringeres als „eine Schande für den Fußball“ seien die Äußerungen von Jürgen Klinsmann, schrieb Irans portugiesischer Nationaltrainer am Wochenende auf Twitter. Er sei gespannt, welche Folgen das für Klinsmanns Arbeit für die Fifa habe und fordert seinen Rücktritt, wie auch der gesamte iranische Fußballverband, der außerdem eine Entschuldigung verlangt. Wofür eigentlich?

„Es ist Teil ihrer Kultur und wie sie spielen, sie haben den Schiedsrichter perfekt bearbeitet. Die Bank sprang ständig auf und beschwerte sich beim Linienrichter und vierten Offiziellen. Sie liegen einem die ganze Zeit im Ohr“, so Klinsmann wörtlich während der Live-Übertragung der BBC in der Expertenrunde. „Das ist ihre Kultur. Sie bringen dich dazu, die Konzentration zu verlieren“, wiederholt er – unwidersprochen und ohne jede Nachfrage der Moderatorin oder der anderen beiden Experten. Und vielleicht liegt darin ein Teil der Fallhöhe dieses Moments.

Kann Klinsmann, der eben nun einmal dafür da ist, das Spielerische auf dem Feld zu werten und einzuordnen, nicht schlicht die Spielweise einer Mannschaft gemeint haben, den Charakter eines Teams, ihre Fußball-Kultur, den andere Experten ebenso „dem“ italienischen, oder „dem“ brasilianischen Fußball zuordnen? „It’s their culture“ mag wörtlich übersetzt als Kultur in ethnischer Hinsicht ausgelegt werden können – ist möglicherweise aber auch überinterpretiert.

Nichtsdestotrotz haben Aussagen wie diese das Potenzial, Ressentiments und rassistische Vorurteile zu schüren, eben weil die breite Masse nicht differenziert zwischen Team oder Nation, Spielfeld und Alltagswelt. Wer mit unbedachten Worten riskiert, dass am Ende (auch nur bei einer Minderheit) Unfairness als kulturelle Eigenschaft einer Nation hängen bleibt, erweist jedem Kampf gegen Rassismus einen Bärendienst. So viel Sensibilität sollte von einem Ex-Bundestrainer zu erwarten sein dürfen.

Deshalb die gesamte Person Klinsmann, sein Erbe als Architekt des Sommermärchens 2006, zu verunglimpfen, ist aber ebenso falsch, wie Vergleiche zu seiner spielerischen Vergangenheit zu ziehen: „Welch eine Ironie. Klinsmann, der als Spieler oft wegen seiner Schwalben kritisiert wurde“, kommentierte der britische Journalist Mehdi Hasan den „Alltagsrassismus“ Klinsmanns. Der iranische Verband fügte seiner Einladung in Richtung Klinsmann hinzu, man werde ihn auch nicht nach seinen „berühmten dramatischen Diver“ beurteilen, wenn er komme. Man biete einen Vortrag „über die tausendjährige persische Kultur und die Werte von Fußball und Sport“. Dass diese Werte universell sind, sollte offensichtlich sein, auch in Live-Expertenrunden im TV.

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