Tauziehen zwischen DFB und Bayer um Völler Viele Fragen nach Daums Absturz

Leverkusen (dpa) . Mit der Enttarnung als Drogen-Konsument hat sich Christoph Daum beruflich ruiniert und den deutschen Fußball in die größte Vertrauenskrise seit dem Bestechungsskandal vor 28 Jahren gestürzt. Während der offenbar mit Kokainproblemen behaftete Trainer nach dem positiven Ergebnis seiner Haarprobe am Samstag nach Miami flüchtete, herrschten in der Heimat Entsetzen, Ratlosigkeit und Mitleid. "Eine menschliche Tragödie", bezeichneten die Verantwortlichen von Franz Beckenbauer über Gerhard Mayer-Vorfelder bis hin zu Rudi Völler und Reiner Calmund einhellig das Schicksal von Daum, das viele Fragen aufwirft: Wer wusste von Daums Drogen- Problemen? Wie kann ihm geholfen werden? Wie geht es in der Nationalmannschaft und bei Bayer Leverkusen weiter? Was macht Rudi Völler?

In der Diskussion um die weitere Verwendung des neuen Hoffnungsträgers Völler, der zunächst bis Jahresende Bayer Leverkusen und die Nationalmannschaft in Doppelfunktion führen wird, zeichnete sich bereits am Wochenende ein Tauziehen ab. Die Forderung von Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge, Völler müsse gemeinsam mit Assistenztrainer Michael Skibbe jetzt langfristig an die Nationalmannschaft gebunden werden, erteilte Bayer-Manager Calmund kategorisch eine Absage.

Bayer gibt Völler nicht frei

"Rudi Völler hat bei uns einen Vertrag bis 2003. Und wir sind nicht bereit, ihn auch nur einen Tag länger als bis zum 31. Mai 2001 auszuleihen", kündigte der von den Ereignissen schwer gezeichnete Daum-Freund an, dass Völler künftig eine maßgebliche Rolle im Werksverein übernehmen soll. Völler selbst lehnte eine Diskussion um seine Person ab. "Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt", sagte er nach dem mit 2:0 gegen Borussia Dortmund erfolgreichen Einstand auf der Leverkusener Trainerbank.

Nach dem niederschmetternden Ergebnis der Haaranalyse hatten zuvor Bayer Leverkusen wie auch der DFB ihre Verbindungen mit Daum aufgekündigt. Die Führung des Werksclub leitete fürsorglich erste Betreuungs-Maßnahmen für den langjährigen sportlichen Leiter ein. Daum soll zunächst im US-Bundesstaat Florida und dann auf weiteren Stationen im Ausland die Ereignisse der zurückliegenden Wochen aufarbeiten und seinen Frieden finden, ständig begleitet von seinen Kindern und Vertretern der Clubs.

In einer persönlichen Erklärung teilte Daum zwar mit, er zweifle die Ergebnisse der Analyse an und und werde sie "mit einer zweiten Probe widerlegen". Glauben wollte ihm diese Prophezeiung aber niemand mehr. Möglicherweise drohen Daum sogar strafrechtliche Konsequenzen, in jedem Fall drastische wirtschaftliche Einbußen von rund 20 Millionen Mark. Allein mit etwa zehn Millionen Mark war der erst kürzlich abgeschlossene Vertrag mit RWE wert, den der Energiekonzern am Samstag auflöste.

Knackpunkt am Traumziel

Daums Karriere erlitt just zu dem Zeitpunkt einen irreparablen Knacks, als er mit der Ernennung zum künftigen Bundestrainer am Traumziel angekommen schien. "Die Unschuldsvermutung ist jetzt widerlegt. Der DFB hat daraus die Konsequenzen gezogen und die Handschlagvereinbarung aufgelöst", sagte der Geschäftsführende DFB- Präsident Mayer-Vorfelder, der inzwischen selbst zur Zielscheibe von Angriffen geworden ist. Ex-Nationalspieler Paul Breitner, der in der Affäre Daum/Hoeneß treffend den Untergang eines der Hauptbeteiligten angekündigt hatte, forderte den Rücktritt von Mayer-Vorfelder. Er habe am 2. Juli mit der so genannten "Elefantenrunde" Daum in Kenntnis der Drogen-Gerüchte verpflichtet: "Der kennt Daum seit zehn, seit elf, seit zwölf Jahren. Es kann, es darf keinen Präsidenten Mayer-Vorfelder geben", sagte Breitner.

Doch selbst engere Weggefährten wie Calmund und Völler versicherten, nichts von den Problemen Daums bemerkt zu haben. "Der Mann hat bei uns vier Jahre exzellent mit Volldampf, mit Ehrgeiz, mit Identifikation zum Club und zu seinem Beruf mit höchstem Fachwissen gearbeitet. Wir konnten uns gar nicht vorstellen, dass dieser Mann vielleicht Drogen nimmt", sagte Calmund.

Regelmäßiger Drogenkonsum?

Dabei hat der Coach offenbar regelmäßig Drogen zu sich genommen. Nach Beckenbauers Angaben war Daum "möglicherweise abhängig". Daums Lebensgefährtin Angelika Cramm sagte der "Bild am Sonntag", die in der Haarprobe ermittelte Konzentration sei derart hoch, "als würde er sich jeden Tag was einschmeißen". Wie auch Daum vertrat die Musical- Sängerin die Theorie einer Verschwörung. Wahrscheinlicher aber, so Calmund, sei ein bedrohlicher "Realitäts-Verlust" von Daum. Nur so sei zu erklären, dass er sich vor knapp zwei Wochen freiwillig zur Haaranalyse entschlossen hatte, obwohl für ihn keine Notwendigkeit dazu bestand: "Wir hatten ihn bereits vorher aufgeklärt, dass er, wenn der Test positiv verlaufen würde, kein Trainer bei uns bleiben kann und kein Trainer beim DFB werden kann."

Bereits in der kommenden Woche will die Task-Force-Kommission zu einem Krisengipfel zusammen kommen und über Konsequenzen beraten. "Es wäre in dieser neuen Entwicklung dringend notwendig, dass man Rudi Völler und Michael Skibbe davon überzeugt, dass sie weitermachen", legte Rummenigge als Vorsitzender der Dringlichkeits-Kommission seine Vorstellung offen. Auch Beckenbauer sagte: "Das Trainergespann Völler/Skibbe sehe ich als Idealfall an." Bleibt die Frage: Für wen?

(RPO Archiv)
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