Löw suspendiert Kruse Mensch bleiben

Meinung · Jogi Löw findet, Max Kruse habe sich "unprofessionell verhalten" und suspendiert ihn für zwei Länderspiele. Unprofessionell ist vielleicht, mit Dönern zu werfen oder betrunken in eine Hotellobby zu pinkeln. Unverantwortlich ist es, monatelang ohne Fahrerlaubnis herumzubrettern. Unfair aber ist, die Nationalspieler Kevin Großkreutz und Marco Reus dafür lediglich zu ermahnen, Kruse dagegen beruflich abzustrafen für etwas, das in seinem Privatleben passierte.

Fußball: Die berühmtesten Rauswürfe aus der Nationalmannschaft
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Die berühmtesten Rauswürfe aus der Nationalmannschaft

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Keine Erregung öffentlichen Ärgernisses, keine Gefahr für andere im Straßenverkehr. Höchstens eine für sich selbst. Ja, er soll im Herbst 75.000 Euro nach einem Pokerturnier in einem Taxi liegengelassen haben. Ja, er hat nach eigenen Angaben auf seiner Geburtstagsfeier am vergangenen Samstag einer "Bild"-Journalistin das Handy weggenommen und die Fotos, die sie gemacht hat, gelöscht. Auch in Form von Bewegtbildern soll er sich Eskapaden über soziale Netzwerke geleistet haben. Das mag dumm sein — aber längst keine Straftat. Man kann darüber streiten, ob ein Trainer auch Vater und Vormund sein sollte — moralisch misst Jogi Löw bei seinen Jungs mit zweierlei Maß.

Väterliche Fürsorge wäre bei solch postpubertären Aktionen vielleicht angemessener für den Profinachwuchs. Spieler, die ihre Jugend heute eher im Fußballinternat als auf dem Bolzplatz verbringen und die ohne Sprecher mittlerweile kaum noch die Frage beantworten, wie es ihnen so geht. Die jungen Sportler werden immer angepasster, klagt auch Tim Wiese im aktuellen "Spiegel". "Es ist langweilig geworden!" Sprüche raushauen, authentisch sein, das traue sich doch niemand mehr. Auch deswegen sei er jetzt Wrestler geworden. Ja, wo sind eigentlich die Effenbergs, Kahns und Schumachers geblieben? Mit Mario Basler ist vielleicht der letzte Charakterkopf gegangen, der nach eigenen Angaben für keinen Verein der Welt auf Zigaretten, Bier und seine freie Meinung verzichtet hätte.

Auch die Großen von damals haben Fehler gemacht und mussten ihre Karriere deshalb nicht knicken. Denn, wie ausgerechnet Kevin Großkreutz heute bei Instagram schreibt: "Jeder Mensch macht Fehler und hat nen Privatleben. (…) Jeder Mensch hat ne Leiche im Keller und sollte sich an die eigene Nase packen". Vielleicht vor allem Boulevardreporterinnen. Und Bundestrainer, die monatelang ohne Führerschein waren, weil sie zu schnell gefahren sind.

(RP)
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