Steuerprozess gegen Bayern-Präsidenten "Herr Hoeneß, erzählen Sie keinen vom Pferd"

München · Der Bayern-Präsident verstrickt sich am ersten Prozesstag in Widersprüche – und wird dafür sogar von seinem eigenen Anwalt gerüffelt.

Uli Hoeneß: "Bringt neue Ehrlichkeit ihn ins Gefängnis?" - Pressestimmen
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Der Bayern-Präsident verstrickt sich am ersten Prozesstag in Widersprüche — und wird dafür sogar von seinem eigenen Anwalt gerüffelt.

9.25 Uhr. Längst sind alle Plätze im Sitzungssaal 134 des Münchner Justizpalastes besetzt. Uli Hoeneß — brauner Anzug, weißes Hemd, eine etwas aus der Zeit gefallene bordeauxrote Krawatte — kommt in Begleitung seiner drei Verteidiger und zweier Bodyguards. Seine Frau Susanne hat in der vorderen Reihe Platz genommen. Hoeneß plaudert mit seinen Anwälten; er versucht, einen entspannten Eindruck zu machen.

Die erste Überraschung kommt in Gestalt des Staatsanwalts Achim von Engel daher. Bisher waren die Berichterstatter davon ausgegangen, dass Hoeneß nur ein Konto in der Schweiz hatte. Laut Anklage aber waren es seit 2004 deren zwei. Dann aber kommt die zweite Überraschung, ein echter Hammer: Rechtsanwalt Hanns W. Feigen teilt mit, dass sich die Steuerschuld des Bayern-Präsidenten um etwa 15 Millionen erhöht habe, nachdem alle Unterlagen gesichtet worden seien. Wenn es dabei bleibt und auch die Selbstanzeige als unwirksam bewertet wird, dann rücken die Chancen für Hoeneß, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen, in unendlich weite Ferne.

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Foto: dpa, tha kno

Hoeneß legt Geständnis ab

Was dann kommt, ist zwar keine Überraschung, aber doch irgendwie bezeichnend für den Mann auf der Anklagebank. Hoeneß räumt seine Schuld ein: "Ich habe Steuern hinterzogen." Er beschreibt den Ernst seiner Lage: "Mir ist klar, dass mir nur absolute Steuerehrlichkeit hilft." Er lässt Reue erkennen: "Mein Fehlverhalten bedauere ich zutiefst." Und dennoch gibt er sich trotzig. Dass man Gewinne auch versteuern muss, wenn man in anderen Jahren Verluste gemacht hat, will ihm offenbar nicht recht in den Kopf: "Ich musste leider feststellen, dass sich die Spekulationen in dem fraglichen Zeitraum unter dem Strich nicht gelohnt haben, denn die hier in Rede stehenden Jahre — 2003 bis 2009 — habe ich trotz zwischenzeitlicher Gewinne im Ergebnis mit einem Millionenverlust abgeschlossen."

Damit freilich ist aus Sicht des Gerichts noch längst nicht alles gesagt. Richter Rupert Heindl, der als streng und kompromisslos beschrieben wird, die Verhandlung aber freundlich und phasenweise humorvoll leitet, will es genauer wissen. Hoeneß trägt seinen Lebenslauf vor: Abitur in seiner Geburtsstadt Ulm, abgebrochenes Studium, Profi-Fußballer, dann Fußballmanager, Wurstfabrikant und schließlich Präsident des FC Bayern.

Das alles ist bekannt. Dann kommt Hoeneß auf sein Leben als Geldanleger, Spekulant und Zocker zu sprechen. Er berichtet von einem Schweizer Konto, das er seit den 70er Jahren hatte. Er schildert seine Anfänge "mit Transaktionen bis zu 50 000 Dollar" und wie sich die Summen immer mehr gesteigert hätten. "Als es zum Börsencrash kam, erlitt ich schwere Verluste. Es wurde richtig eng." In dieser Situation, es muss um die Jahrtausendwende gewesen sein, habe ihm ein Freund, Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, geholfen. Dabei sei immer klar gewesen, "dass das Geld hauptsächlich zum Zocken da war".

Bis 2006 habe er dann "richtig gezockt". Er sagt: "Das war gerade der Kick, das pure Adrenalin." In dieser Zeit habe er oft mit der Bank telefoniert, "auch nachts". Auf Millionengewinne folgten ab 2006 nach Aussage von Hoeneß wieder Millionenverluste. Auch unterm Strich habe er über die Jahre einen Millionenverlust erlitten. "Trotzdem", räumt er ein, "hätte ich Gewinne versteuern müssen. Das habe ich nicht getan. Deshalb sitze ich heute hier."

Breiten Raum nimmt auch die Frage ein, wie es zur Selbstanzeige kam. Hoeneß beteuert, er habe sich schon Ende 2012 dazu entschlossen, als klar wurde, dass es mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen nichts wird. Mitte Januar aber überschlugen sich die Ereignisse. Am 15. habe er sich in Berlin mit seinem Freund Ulrich Jörges vom "Stern" getroffen, der allerdings von den Recherchen seiner Redaktion, durch die letztlich alles in Gang kam, noch nichts gewusst habe.

Dazu sagt der Richter: "Das kann man glauben oder auch nicht."

Hoeneß fährt fort: Er habe sich nach Jörges noch mit Kanzlerin Angela Merkel zum Mittagessen getroffen. Erst hinterher habe er von einer geplanten Veröffentlichung des "Stern" erfahren. Da habe er "einen großen Schrecken bekommen". Er sei nach Hause gefahren, habe sich mit einem Anwalt und einem ehemaligen Steuerfahnder beratschlagt, Bankunterlagen aus der Schweiz holen lassen und die Selbstanzeige vorbereitet.

Am 17. Januar um 8.15 Uhr habe sein Sohn die Selbstanzeige dann bei den Finanzbehörden in Rosenheim abgegeben. Am 18. Januar habe er vorab zehn Millionen Euro ans Finanzamt überwiesen. "Total geschockt" hätten ihn zwei Wochen später Hausdurchsuchung und Haftbefehl. Er wolle hier nicht jammern, sagt Hoeneß, aber für ihn und seine Familie seien die Folgen "geradezu katastrophal" gewesen.

"Ich bin kein Sozialschmarotzer"

Und er weist darauf hin, dass er noch ein anderes Leben gelebt hat: "Ich bin kein Sozialschmarotzer, ich habe fünf Millionen Euro an soziale Einrichtungen gegeben, 50 Millionen Euro Steuern gezahlt. Ich will damit nicht angeben, ich will nur reinen Tisch machen und vor allem mit mir ins Reine kommen."

In zwei Punkten bohrt der Richter besonders nach. Zum einen fragt er immer wieder nach den konkreten Geschäften, weil Art und Dauer der Spekulation höchst relevant sind. Hoeneß antwortet ausweichend: Er habe sich auf einen Freund in der Schweiz verlassen. Zum anderen bezweifeln die Richter die Freiwilligkeit der Selbstanzeige. Als Hoeneß noch einmal ansetzt, seine Version zu schildern, und plötzlich behauptet, die Recherchen des "Stern" hätten für seinen Entschluss keine Rolle gespielt, kommt es zur vielleicht kuriosesten Situation dieses ersten Prozesstags — Feigen fährt seinem Mandanten in die Parade: "Herr Hoeneß, das hat eine entscheidende Rolle gespielt. Erzählen Sie doch hier keinen vom Pferd." Und er fügt, wiederum an Hoeneß gewandt, hinzu: "Sie sind gerannt wie ein Verrückter." Das Wort "verrückt" war zuvor schon gefallen. Hoeneß selbst hatte es gebraucht, um, wie er es formulierte, die "Spirale der Unglückseligkeit" zu erklären: "Wenn man zockt und verrückt ist, wie ich es damals war . . ."

Ob diese Wortwechsel Teile der Strategie oder tatsächlich spontan sind, bleibt unklar. Viel gibt es offenbar nicht, was Hoeneß entlasten könnte. Erst einmal sprechen nur zwei Umstände für ihn: Zwei Steuerfahnder stellen als Zeugen übereinstimmend fest, dass die Hinweise der "Stern"-Redaktion nicht ausgereicht hätten, um Ermittlungen einzuleiten. Und obendrein gibt es eine Protokollnotiz der Staatsanwaltschaft vom Februar 2013, in der laut Verteidigung festgehalten ist, dass auch die Staatsanwälte in München davon ausgingen, dass ohne die Selbstanzeige Ermittlungen aller Wahrscheinlichkeit nach ergebnislos geblieben wären.

(RP)
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