Ein rheinländischer Musterprofi aus Guinea Thiam und das Verhältnis zum Rheinland

Frankfurt/Stuttgart (sid). So einen wie ihn könnte der neue DFB-Teamchef Rudi Völler im Moment gut gebrauchen: Jung, dynamisch, technisch versiert und unbelastet von der wenig ruhmreichen jüngsten Vergangenheit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Und seine dunkle Hautfarbe würde sogar ein wichtiges Zeichen für eine multikulturelle Gesellschaft und gegen den aufkeimenden Rechtsextremismus hierzulande setzen.

Doch auch wenn Pablo Thiam, der seit 22 Jahren in Deutschland lebt und sich hier wohl fühlt, den deutschen Pass besitzt, so wird der Mittelfeldspieler von Bundesligist VfB Stuttgart nie mit dem Adler auf der Brust auflaufen. "Ich fühle mich als Rheinländer, das ist im Prinzip meine Heimat", sagt der 26-Jährige. "Aber Guinea war zuerst da und deshalb habe ich mir da nie Gedanken drüber gemacht, auch wenn ich jetzt vielleicht ein Kandidat für die deutsche Nationalelf oder die A2 wäre."

In dem kleinen afrikanischen Land, für das er bisher 16mal international spielte, ist Thiam am 3. Januar 1974 geboren. "Mein Vater hat schon für Guinea gespielt und für mich ist es auch eine Ehre. Das Land ist nicht so groß und wir versuchen dabei zu helfen, dass es dort vorwärts geht. Es ist okay, wie es gelaufen ist, ich habe meinen Weg auch so gemacht."

Erstmals die Fußballschuhe schnürte Thiam als Jugendlicher in den 80-er Jahren beim MSV Bonn. In die damalige Bundeshauptstadt kam die Familie, nachdem sich der Vater beim Fußball einen Genickbruch zugezogen hatte. Nach der anschließenden Operation in der damaligen Sowjetunion wurde Thiam Senior wegen seiner Verdienste für das Vaterland und weil er studiert hatte in den diplomatischen Dienst an die Botschaft Guineas in Bonn versetzt, ehe er 1989 nach Brüssel wechselte.

Zu dieser Zeit spielte der Sohn bereits erfolgreich in der Jugend des 1. FC Köln, unter anderem zusammen mit Carsten Jancker, und feierte bei den "Geißböcken" unter Trainer Morten Olsen auch sein Debüt im Profi-Fußball. Nach dem Abstieg der Kölner wechselte Thiam 1998 zum VfB Stuttgart, wo er sich zum Führungsspieler entwickelt hat und inzwischen sogar Mitglied des Spielerrats ist.

"Pablo hat eine Riesen-Entwicklung gemacht. Er ist eine Führungsfigur und verkörpert für mich ein Stück den neuen VfB", lobt Marketing-Direktor Hansi Müller den 149-maligen Bundesligaspieler, der in der Vorbereitung zu den stärksten Akteuren gehörte und maßgeblichen Anteil am bisherigen Durchmarsch im UI-Cup hatte. Und Trainer Ralf Rangnick ergänzt: "Er ist im Moment in überragender Form. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, Pablo zu halten, wenn sein Vertrag ausläuft."

Mailand klopfte an

Denn auch andere Vereine sind auf die konstanten Leistungen des defensiven Mittelfeldspielers aufmerksam geworden. So gab es ein konkretes Angebot von Italiens Renommierklub AC Mailand und Borussia Dortmund näherte sich im Sommer immer mehr an die vom VfB geforderte Ablöse zwischen acht und zehn Millionen Mark an. Doch Thiam selber lenkte ein, weil ihn der Poker belastete, und wird nun seinen bis Saisonende laufenden Kontrakt erfüllen. Im Gegensatz zu ihm haben die Borussen aber bereits einseitig einen Vertrag ab dem 1. Juli 2001 unterschrieben.

"Man muss halt sehen, dass man dahin kommt, wo man am besten hin passt, und nicht da, wo man am meisten Geld verdient", sagt Thiam, dessen bei seiner Ex-Frau in Köln lebender Sohn Justin ihn vor allem in den Westen zurückzieht. "Aber klar ist im Moment nur, dass ich eine gute Saison spielen will. Ich möchte nicht, dass man mir nachsagt, ich hätte mich und den Verein hängen lassen."

Nach den bisherigen Leistungen der Stuttgarter geht der Musterprofi in jedem Fall zuversichtlich in die neue Spielzeit, die am Samstag mit dem Baden-Württemberg-Derby beim SC Freiburg beginnt: "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und werden in jedem Fall besser abschneiden als im letzten Jahr."

(RPO Archiv)
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