Streit mit der Klubführung Berliner Fans bieten sich anderen Vereinen als Unterstützung an

Berlin · Fremdgehen mal anders: Beim früheren Fußball-Bundesligisten Tennis Borussia Berlin haben sich die Fans mit der Klubführung zerstritten und bieten sich anderen Vereinen als Anhänger an.

Tennis Borussia Berlin: Fans bieten sich anderen Vereinen an
Foto: dpa/Christoph Soeder

Hans Rosenthal dürfte sich längst im Grabe umgedreht haben. Beim Berliner Fußball-Oberligisten Tennis Borussia Berlin, den der frühere TV-Showmaster viele Jahre als Präsident führte, schlägt seit Monaten ein Streit auf die Stimmung. Aus Wut auf die Klubspitze hat sich ein Teil der Fans abgewandt und in einer wohl einmaligen Aktion anderen Klubs seine Supporter-Dienste per Kleinanzeige angeboten.

"Wir sind froh, dass wir weiter mit dem, was uns im Fußball wichtig, wahrgenommen werden", sagte Fansprecher Christian Rudolph dem SID. Die Kleinanzeige in der Berliner Fußballwoche traf den Nerv der Szene: "Kleine engagierte Fan-Szene sucht vorübergehend Verein, der für eine demokratische Kultur und gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie steht", hieß es da.

Viele Klubs nahmen das Angebot an, der "Caravan of Love" wurde gestartet. An jedem Wochenende unterstützen die Abtrünnigen des Fünftligisten andere Klubs im Bundesgebiet. An diesem Freitag macht der Tross bei Arminia Hannover Halt, eine Woche später ist man zu Gast bei der SG Holdorf in Niedersachsen.

Dank der originellen Aktion taucht TeBe plötzlich auch wieder in den bundesweiten Medien auf. So wie in den 70er Jahren, als der Klub aus dem Westteil Berlins schwer angesagt war und zwei Jahre in der Bundesliga spielte. Neben Rosenthal gehörten Showgrößen wie Kabarettist Wolfgang Gruner und Schlager-Produzent Jack White zum Verein. White lief bei Kulttrainer Rudi Gutendorf unter seinem bürgerlichen Namen Horst Nußbaum als Libero auf.

Nun sind die Fronten wieder mal verhärtet. Das sieht auch Klubboss Jens Redlich so. "Die Lage bleibt so, wenn keine Vernunft auf der Gegenseite einkehrt", sagt der Vorstandsvorsitzende. Die Klubführung stehe durchaus für eine Fankultur, "doch hier wollen Anhänger Einfluss aufs operative Geschäft nehmen", meint Redlich.

Redlich, Geschäftsführer einer Fitnesskette, will den Charlottenburger Verein nach oben bringen und in der Regionalliga etablieren. Dafür investiert der gebürtige Köpenicker in drei Jahren 2,5 Millionen Euro. Doch ein Großteil der Fans will diesen unbedingten Erfolg nicht, ist stolz auf seine Auszeichnungen für Projekte gegen Homophobie und möchte lieber eine demokratische Klubkultur. Die Frage drängt sich auf: Wem gehört der Klub eigentlich?

Nach demokratischen Maßstäben sind es letztendlich die gewählten Gremien, die die Entscheidungen treffen. Doch genau an dem Punkt eskalierte der Streit. Die Fans setzten nach langem Kampf durch, dass für Ende Januar eine Mitgliederversammlung angesetzt wurde. Dort sollten Vertreter für den Aufsichtsrat gewählt werden. Plötzlich standen aber viele Personen im Saal, die keiner aus der Fanszene kannte. Schnell machte der Vorwurf die Runde, Redlich habe sich Stimmvolk besorgt. Die Lage eskalierte, die Polizei musste anrücken.

Nach dieser Enttäuschung kam es zum Bruch, und für die wütenden Mitglieder der aktiven Szene wurde der Fußball mit dem Caravan of Love zu einem dauerhaften Auswärtsspiel. Das ist nicht immer leicht, wie Rudolph einräumt: "Es macht ja Spaß, andere Teams zu supporten. Aber nach dem Spiel fahre ich oft nach Hause und denke, jetzt wäre ich lieber im Mommsenstadion."

(sef/sid)
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