Pfiffe, Spott und ein Kreuzverhör Darmstadts Sandro Wagner sorgt für Aufsehen

Darmstadt · Darmstadts Stürmer Sandro Wagner sorgte am Wochenende mit streitbaren Aussagen über unterbezahlte Fußballer für Aufsehen.

Angeschlagener Sandro Wagner erzielt Doppelpack für Darmstadt
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Angeschlagener Wagner erzielt Doppelpack für Darmstadt

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Foto: dpa, pst fpt

Im Stadion wurde er lautstark ausgepfiffen, in den sozialen Netzwerken kritisiert und verspottet, im TV-Interview ins Kreuzverhör genommen: Mit streitbaren Aussagen über seiner Meinung nach "teilweise" unterbezahlte Fußballer hat Fußball-Profi Sandro Wagner am Wochenende für Aufsehen gesorgt.

In einem am Samstag veröffentlichten Bild-Interview hatte der 28-Jährige erklärt, "dass gemessen an all dem, was man aufgibt, auch die bei Bayern zu wenig verdienen - selbst zwölf Millionen oder so". Beim 1:4 seines Vereins Darmstadt 98 in Köln spürte er im Stadion eine gewisse Feindseligkeit gegen seine Person. Klubvertreter klärten den nicht in sozialen Netzwerken vertretenen Stürmer über die emotionalen Reaktionen im Internet auf.

"Vielleicht etwas übertrieben"

Im Aktuellen Sportstudio im ZDF präsentierte sich Wagner am Abend demonstrativ gelassen, ruderte aber ausgerechnet bei der Kernaussage zurück. "Das mit den zwölf Millionen war vielleicht übertrieben", gestand er ein: "Aber im Großen und Ganzen stehe ich zu meiner Meinung."

Diese hatte gelautet: In den US-Profiligen verdiene man "auch deutlich mehr", man stehe nach der Karriere "oft ohne Ausbildung oder richtiges Studium da", der Druck sei riesig, für den Aufwand und die Entbehrungen also "jeder Euro verdient". Dass Profis ihren Reichtum zur Schau stellen, findet der frühere U21-Nationalspieler "völlig in Ordnung", man müsse "von dieser Neid-Kultur wegkommen".

Wagner, nach seiner ersten richtig guten Profi-Saison auf der Suche nach einem neuen Klub, eckt damit wohl durchaus bewusst an. Im vergangenen Monat hatte er "viele Fußball-Kollegen" als "nur noch peinlich und zum Fremdschämen" bezeichnet. Er positioniert sich demonstrativ als Typ mit Ecken und Kanten, versucht sich sogar als Bad Boy. "Ich kann gut damit leben, wenn 99 Prozent mich nicht mögen", sagte er.

"Wir leben in einem Land, in dem man die Wahrheit nicht gerne sagt", meinte er. Man werde dann angefeindet, "dem wollen die meisten aus dem Weg gehen. Deswegen verstehe ich, wenn der ein oder andere Kollege sich in Phrasen hüllt oder nicht die Wahrheit sagt".

Ein Diplomat ist an Wagner noch nie verloren gegangen. Auch deshalb hat er nicht die Karriere gemacht, die man ihm als einstiges Talent von Bayern München zugetraut hatte. "Irgendwann bin ich vielleicht mal falsch abgebogen. Oder ich hatte nicht so viel Talent. Oder ich bin einfach nicht so gut wie sie, keine Ahnung", sagte er auf die Frage, warum er nach dem EM-Titel 2009 mit der U21 — mit zwei Wagner-Toren im Finale — nicht den Weg damaliger Teamkollegen wie Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels oder Mesut Özil eingeschlagen habe. Sie wurden Weltmeister und verdienten ein Vielfaches von Wagner, der vor Darmstadt bei vier Klubs sein Glück versuchte und nirgendwo richtig glücklich wurde.

Sein einstiger Förderer Hermann Gerland glaubt eher daran, dass Wagners Trotzkopf ihm im Weg stand. Wenn er ihm geraten habe, dass er nach rechts schießen solle, habe er demonstrativ nach links geschossen, berichtete er im ZDF. Und glaubt auch nun, Wagners Absicht zu erkennen: "Ich lese, er will wechseln. Ich weiß nicht, ob das für seine Fußball-Karriere so gut ist. Für seine finanzielle Situation sicher schon."

Und die scheint Wagner zumindest auf der Zielgeraden seiner Karriere wichtiger zu sein.

(sid)
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