Amateurfußball live im Internet Kreisliga von zu Hause aus schauen

Essen · Tausende Amateurfußballspiele finden jedes Wochenende auf Deutschlands Sportplätzen statt. Doch was machen Fans, wenn sie es nicht ins Stadion des Herzensvereins schaffen? Zwei Firmen wollen Abhilfe schaffen.

 Ein Mitarbeiter schaut sich ein Amateurfußballvideo beim Start-Up Soccerwatch TV an.

Ein Mitarbeiter schaut sich ein Amateurfußballvideo beim Start-Up Soccerwatch TV an.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Ein Fußballplatz im Ruhrgebiet, Anpfiff in der Kreisliga, Rot-Weiß Barop gegen FC Hellweg Lütgendortmund: Direkt vom Anstoß zieht der Lütgendortmunder Dennis Meißner aus 50 Metern auf das gegnerische Tor ab. Über den Keeper hinweg segelt der Ball ins Netz. Ein Traumtor nach vier Sekunden - das bis vor kurzem nur die Zuschauer am Spielfeldrand gesehen hätten. Doch am Platz hängt eine Kamera des Essener Start-Ups Soccerwatch.tv. Das Spiel wird live im Internet übertragen. „Hier ist es total fußballverrückt“, sagt einer der Geschäftsführer, Jan Taube, über Nordrhein-Westfalen. Traditionsvereine wie Rot-Weiß Oberhausen oder Rot-Weiß Essen spielen in den unteren Ligen.

Seit 2017 hat die Streaming-Plattform mehr als 2800 Fußballspiele von Regionalliga bis Kreisliga gezeigt, bietet auch Highlight-Videos und Wiederholungen an. „120 Vereine haben Kameras von uns, mit 140 weiteren haben wir einen Vertrag geschlossen“, sagt der Sportmanager. Für die Nutzung müssen Fußballbegeisterte nichts zahlen, dafür aber Werbespots und -banner in Kauf nehmen.

Ähnlich funktioniert es beim Online-Portal Sporttotal.tv, das ebenfalls Amateurfußball streamt und schon an 420 Fußballplätzen seine Kameras hängen hat. Schwerpunkt sind die Regionalliga und die Oberliga, regional Bayern, Niedersachsen und ebenfalls NRW. Taube sieht für beide Platz am Markt. „Es gibt 25.000 Fußballvereine in Deutschland. Die werden weder wir, noch Sporttotal, noch beide zusammen in den nächsten drei Jahren anbieten.“

Beide Unternehmen kooperieren inzwischen mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). „Der Vertrag ist wichtig, um ein offizielles Gütesiegel zu erhalten“, sagt Taube. Bis Ende 2019 will Soccerwatch.tv 1000 seiner Systeme an Fußballplätzen in ganz Deutschland hängen haben. Der Verband werde künftig auf seiner Internetseite auf die Übertragungen der Streaming-Plattform verlinken und dort Tabellen und Statistiken einbinden, sagte Taube.

Die Angebote richten sich wohl hauptsächlich an Hardcore-Anhänger des unterklassigen Fußballs. Soccerwatch.tv rechnet mit durchschnittlich rund 800 Klicks pro Spiel. „Wir haben Spiele, da schauen ehrlicherweise 50 Leute zu“, sagt Taube. 60 000 Zugriffe gab es allerdings auch schon bei einem Freundschaftsspiel mit Beteiligung von Schalke 04.

Idealerweise hängen die Kameras von Soccerwatch.tv auf Höhe der Mittellinie an einem Flutlichtmast oder am Tribünendach. Einen Kameramann braucht es nicht. Künstliche Intelligenz (KI) wählt aus der Aufnahme des gesamten Platzes den Bildausschnitt aus. Sie orientiert sich am Ball und in welchem Tempo die Spieler in welche Richtung laufen. „Das wir ein Tor verpassen, passiert eigentlich nicht“, so Taube. Es kommt jedoch vor, dass in bestimmten Situationen der ballführende Spieler nicht im Bild ist. Auch Regentropfen oder Flutlicht können die Sicht behindern. Das soll nach Aussage von Taube ab März mit einem neuen Kamera-Modell und einer weiter geschulten KI besser werden. „Die neue Bildqualität ist deutlich besser“.

Auch der Oberligist VfB Homberg aus Duisburg hat seit Beginn der Saison eine der Kameras unter dem Stadiondach hängen. „Wenn man möchte, verpasst man nichts mehr als Fan des Vereins“, sagt Vorstandsmitglied Wolfgang Graf. Homberg habe auch keine Zuschauer vor Ort an die Wohnzimmercouch verloren. Natürlich dürften Zuschauer aber keine Übertragung wie im Fernsehen erwarten. Der Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) befürwortet die Projekte. „Wir sind davon überzeugt sind, dass durch Video-Übertragungen die Attraktivität des Amateurfußballs weiter gesteigert werden kann“, sagte eine Sprecherin. Mit den Anbietern habe man Standards zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte vereinbart.

Für die Clubs geht es aber nicht nur darum, dass Mitglieder im Urlaub oder verhinderte Familienangehörige die Spiele verfolgen können. „Die Message dahinter ist ja: Mit der Kamera kann man Geld verdienen“, so Taube. Sponsoren sollen zum Werben vor und während der Spiele animiert werden. Die Einnahmen teilen sich die Vereine mit dem Start-Up. Neue Sponsoren hat Homberg bisher nach Aussage von Graf jedoch noch nicht gewonnen. Der Verein will nun offensiver auf die neuen Werbemöglichkeiten hinweisen.

Sein Tor kann sich Dennis Meißner noch lange im Netz anschauen. Auf den Rest der Partie wird er dabei vielleicht lieber verzichten. Sie ging noch 1:5 verloren.

(dpa)
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