Training bei Spielergewerkschaft Vertragslose Profis schwanken zwischen Fußball und Plan B

Düsseldorf · Stichtag 30. Juni: Dann enden die Verträge im deutschen Profifußball. Manche Spieler können sich den Arbeitgeber aussuchen und beim Gehalt pokern. Doch es gibt auch andere, die sich um Plan B Gedanken machen müssen.

 Der vertragslose Fußball-Spieler Michel Harrer trainiert beim Trainingscamp der Spielergewerkschaft VDV.

Der vertragslose Fußball-Spieler Michel Harrer trainiert beim Trainingscamp der Spielergewerkschaft VDV.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Es sieht nach einer gewöhnlichen Vorbereitung auf die neue Saison aus. Gut 20 Spieler stehen auf dem Platz, es gibt lautstarke Anweisungen des Trainerteams. Es ist aber keine normale Fußballmannschaft, vielmehr handelt es sich um das Sommercamp vertragsloser Profis. Einer von ihnen ist Michél Harrer. „Es ist kein schönes Gefühl, wenn du nicht weißt, wie es weitergeht“, sagt der 31 Jahre alte Stürmer.

Die Situation ist für Harrer nicht neu. Bereits 2017 nahm er am Training der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) teil. Es schien sich ein gutes Ende anzubahnen. Doch durch einen formalen Fehler platzte sein Wechsel zum FSV Frankfurt. Harrer wurde für ein halbes Jahr gesperrt.

In dieser Zeit bekam der Profi Arbeitslosengeld. Danach schloss sich der Stürmer für sechs Monate dem SC Wiedenbrück in der Regionalliga West an. Harrer und seine Frau wohnten in einer Vereinswohnung. Doch der SC verlängerte seinen Kontrakt nicht. Die Wohnung musste geräumt werden.

„Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt der sichtlich verunsicherte Spieler. „Es gab schon einige Anfragen. Das wäre aber wie ein Nebenjob gewesen.“ Bis zuletzt war Harrer Vollprofi. Das Gehalt in der Regionalliga würde zum Leben reichen. „Wenn man sparsam ist, kann man sogar was zur Seite legen.“

Trainiert werden die Spieler aktuell vom ehemaligen Bundesligacoach Peter Neururer. „Die Spieler sind alle in einer Situation, die mehr als unbefriedigend ist“, sagt der 63-Jährige, der selbst seit mehr als drei Jahren keinen Trainerjob mehr hatte. „Als Spieler hast du immer den Druck, für den nächsten Vertrag zu spielen“, ergänzt der ehemalige Nationalspieler Carsten Ramelow, Vizepräsident des VDV.

Was nach der sportlichen Karriere kommt, weiß Harrer noch nicht. Eine abgeschlossene Ausbildung hat er nicht. Etwas im Nachwuchsbereich könnte er sich vorstellen oder eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann. „Wenn meine Frau nicht arbeiten würde, wäre die Überlegung eher gekommen. Wenn ich noch einmal 18 wäre, würde ich eine Ausbildung machen“, sagt er.

Laut einer VDV-Studie, an der mehr als 200 Profis teilnahmen, sehen die Fußballer bei rund einem Fünftel der aktuellen Profis finanzielle Probleme. Bei jedem zweiten können sie sich Geldprobleme nach der Karriere vorstellen. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Fußballer gibt, die ihre Kohle während der Karriere verprasst haben oder diesen Lebensstil weiterführen, monatlich aber nichts reinkommt“, erklärt Enis Alushi.

Der ehemalige Spieler des 1. FC Nürnberg und des FC St. Pauli nimmt ebenfalls am VDV-Camp teil mit Hoffnung: Denn in den vergangenen Jahren haben nach VDV-Angaben rund 80 Prozent der Teilnehmer wieder einen Verein gefunden.

Diesmal vielleicht auch Harrer? Wegen eines speziellen Moments aus dem Mai 2015? Damals wurde ein Fallrückziehertreffer von Harrer zum Tor des Monats in der ARD-Sportschau gewählt.

In der Jugend spielte Harrer einmal gegen den FC Schalke 04 und wurde damals von Mesut Özil getunnelt. „Andersrum wäre es natürlich besser gewesen“, sagt Harrer. „Ich würde gerne noch einmal in der dritten Liga mit einem Verein den Landespokal gewinnen, um dann am DFB-Pokal teilnehmen zu können. Die Hoffnungen sind schon groß, etwas zu finden.“ Und dann könnte Plan B vielleicht wieder in der Schublade verschwinden.

(rent/dpa)
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