Das waren "keineswegs Auseinandersetzungen zwischen Hooligan-Gruppen" Soziologe Pilz im Gespräch

Hannover (sid). Der Hannoveraner Soziologe Dr. Gunter A. Pilz, persönlicher Berater des DFB-Präsidenten Egidius Braun in Sicherheitsfragen, im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid). Pilz warnte davor, die "Auseinandersetzungen von Istanbul zu einer Hooligan-Schlacht zu machen".

sid: "Zwei Todesopfer in Istanbul haben die Diskussionen über die Randale im Fußball wieder neu angeheizt. Gibt es in der Türkei überhaupt eine Hooligansszene?"

Dr. Gunter A. Pilz (Hannover): "Wenn es Tote im Fußball gibt, reden alle vermeintlichen Experten immer schnell von Hooligans. Ich glaube, dass es sich bei den Vorfällen in Istanbul keineswegs um Auseinandersetzungen zwischen Hooligan-Gruppen handelt. Die gehen anders vor. Ich glaube, dass in einem Vergnügungsviertel von Istanbul betrunkene Fußballfans aneinander geraten sind und die eine Seite offenbar überreagiert hat."

sid: "Hat auch die Polizei überreagiert?"

Pilz: "Das möchte ich aus der Entfernung nicht beurteilen."

sid: "Was sind die Konsequenzen aus den Vorfällen von Istanbul?"

Pilz: "Die Konsequenz aus den Vorfällen betrifft konkret die Endrunde um die Fußball-Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden. Ich befürchte nach den Toten von Istanbul Racheaktionen britischer Hooligans in Belgien und den Niederlanden. Damit wird man sich sehr ernsthaft auseinandersetzen müssen. Diese Situation kann zusätzliche Brisanz in eine ohnehin schon angespannte Situation bringen."

sid: "Worauf sind die gewalttätigen Ausschreitungen von Istanbul zurückzuführen?"

Pilz: "Das sind Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen. Und die Überreaktion der Türken liegt in ihrer Mentalität. Dort wird vielleicht schneller ein Messer gezogen als anderswo. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass sich die Bürger des Stadtteils offenbar an den Auseinanderstzungen beteiligt haben. Das Ganze zu einer Schlacht von Hooligans zu machen, ist jedenfalls vollkommen verfehlt. Dennoch bleibt das Gewaltproblem natürlich ein sehr ernsthaftes."

sid: "Sie sind persönlicher Berater von DFB-Präsident Egidius Braun in Sicherheitsfragen. Wie reagiert der Präsident?"

Pilz: "Egidius Braun nimmt das Gewaltproblem und die soziale Funktion des Fußballs sehr ernst. Wesentlich ernster als jeder andere Funktionär im Fußball."

(RPO Archiv)
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