Socca World Cup 2023 Wie ein Kleinfeldfußballturnier in Essen die Fans begeistert

Essen · Die Kleinfeldfußball-Weltmeisterschaft 2023 findet aktuell in Essen statt. Ein Stadion für 3000 Zuschauer wurde dafür im Stadtzentrum auf dem Kennedyplatz errichtet. Ein besonderes Erlebnis auf und neben dem Platz.

  Player of the Match, Yannik Zierden, freut sich mit dem Team und den Fans zum 8:2-Sieg.   Foto: Julian Meusel

Player of the Match, Yannik Zierden, freut sich mit dem Team und den Fans zum 8:2-Sieg. Foto: Julian Meusel

Foto: Julian Meusel

Die Schlange auf dem Kennedyplatz ist lang, was etwas überrascht. Denn nichts deutet beim Gang durch die Essener Innenstadt darauf hin, dass nicht unweit vom Hauptbahnhof ein stählernes Fußballstadion aus dem steinigen Boden des Platzes ragt. Dort, wo sonst Weihnachtsmärkte und Stadtfeste stattfinden, oder die Spaziergänger beim Bummeln nur den kürzesten Weg zum nächsten Laden suchen. „Da musst du zwei Stunden früher kommen, wenn du um 19 Uhr einen Platz im Stadion willst“, erklärt Christoph Köchy einem Fan in Deutschland-Trikot in der Schlange vor dem Stadion.

Köchy ist einer der Organisatoren und einer der Gründe dafür, warum dieses Stadion nun in der Essener Innenstadt steht: der Socca World Cup 2023. Socca – der coolere Name für Kleinfeldfußball, was im Grunde Fußball nur auf kleinerem Feld ist. Aber „Socca“ klingt einfacher und ist eben dies: cooler.

Nun sitzen hier rund 3000 Leute in der temporär aufgebauten Stahlarena, der Kennedyplatz hat sich für zehn Tage in ein Fußballstadion verwandelt. „Es ist natürlich nicht alltäglich, ein Fußballstadion mitten in die Stadt zu bauen“, sagt Marc Müller, ebenfalls Organisator der WM und mit Köchy und Julia Cölter Teil des Vorstandes des Deutschen Kleinfeld-Fußball-Verbandes (DKFV). „Und es wird gut in Essen aufgenommen. Dass das Stadion auch immer voll ist, ist sensationell“, freut er sich am bereits fünften Tag des Turniers.

Am Dienstagabend spielt hier unter anderem die Deutsche Socca-Nationalmannschaft, auch ein Grund, warum der Andrang so groß ist. Vor dem Stadion hilft ein großer LED-Bildschirm aus, auch hier versammeln sich Menschen in Trikots ihrer Länder. Chilenische Fans sind mitgereist und sitzen auf der Tribüne. Es fühle sich für Müller „ein bisschen wie Olympia“ an, schwärmt er, „nur dass sie hier in Essen alle näher beieinander sind.“ 40 Nationalmannschaften von sechs Kontinenten sind bei dieser Weltmeisterschaft vertreten, für die je eine Flagge am Rand des Stadions gehisst wurde und nun im leichten Essener Abendwind weht.

Vor zehn Jahren haben der 36-Jährige und der DKFV-Vorstand das erste Mal von der WM in Deutschland geträumt, seit drei Jahren liefen konkrete Gespräche mit der Stadt Essen, erinnert sich Müller. Gegen London und Breslau habe man sich bei der Vergabe durchgesetzt. Vor zwölf Monaten ging es dann in die Vorbereitungen.

„Das Stadion ist pickepackevoll“, gibt der Moderator schon eine halbe Stunde vor Anpfiff durch, bevor die deutsche Mannschaft durch eine Nebelwand auf das kleine Grün einläuft. Deutschland-Fans hissen die größtmögliche Flagge, die sie ergattern konnten. Die Fußballer aus Chile lassen sich mit breitem Grinsen vor den Zuschauern fotografieren. Ein Zeichen, dass es hier bei der Socca-WM kaum nur ums Gewinnen gehen kann, sondern ums Dabeisein. Oder?

Das Spiel ist schon wenige Augenblicke nach Anpfiff hitzig, die Südamerikaner gehen früh in Führung, die Gastgeber nutzen ihre unzähligen Chancen nicht. Stattdessen werden sie häufig gefoult, jeder Körperkontakt wird vom emotionalen Publikum lauthals reklamiert, und die Stimmung kocht – auf und neben dem Feld. Hier ist man nah am Spiel, ein Ball verlässt das Stadion, immer wieder landet einer in der Menge. Kurz vor der Halbzeit schießen die Deutschen zwei Tore und drehen das Spiel. Während der Unterbrechung werden beide Teams gefeiert, eine spanische La Ola und der griechische Sirtaki über die vielen Lautsprecher sorgen für Partystimmung statt Hexenkessel – vorerst. Denn in der zweiten Hälfte dominieren die Deutschen das Spiel, es werden Gelbe Karten und Platzverweise verteilt, der chilenische Torhüter liegt kurz verletzt am Boden, und letzten Endes gewinnt die deutsche Nationalauswahl eindeutig mit 8:2.

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Auch für den Torhüter und Kapitän Kim Sippel ein „Wahnsinn“. Sein Gesicht ziert die großen Plakate rund um das Stadium. Für ihn ist das bereits die vierte WM, die Stimmung in Essen sei aber „super“, freut er sich nach dem Spiel. Der Fußballer aus Kassel mag die Schnelligkeit beim Socca, „jede Aktion ist ein Torschuss.“ Marc Müller weiß, dass der Sport auch deshalb „einen Nerv bei den Leuten“ treffe.

Als das letzte Spiel am Dienstagabend zwischen Griechenland und Belgien angepfiffen wird, dämmert es schon. Die Fans in und vor dem Stadion denken aber noch gar nicht daran, die stählerne Arena auf dem Kennedyplatz zu verlassen.

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