Fußball-Gewalttäter im Visier Seit fünf Jahren stehen V-Leute in Fanblocks

Düsseldorf · Gewaltbereite Fußballanhänger sind schon lange ein Problem für Vereine. Doch noch nie gab es mehr Delikte als im vergangenen Jahr. Sicherheitsbehörden setzen im Kampf gegen die Gewalttäter auf verdeckte Informanten.

Chronologie der Sicherheits-Debatte im deutschen Fußball
Infos

Chronologie der Sicherheits-Debatte im deutschen Fußball

Infos
Foto: dpa, Tobias Kleinschmidt

Am Duisburger Hafen laufen alle Daten über gewaltbereite Fußballfans in Deutschland zusammen. Die Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (Zis), die dort in einem Gebäude der Landespolizei untergebracht ist, wertet alle polizeilichen Maßnahmen bei Sportveranstaltungen aus.

Die daraus gewonnenen Erkenntnisse gibt die Behörde dann wieder zurück an die Polizeidienststellen, die mit Hilfe dieser Informationen ihre Einsätze an Bundesligawochenenden besser planen können. "Wir sorgen mit unserer Arbeit dafür, dass die Sicherheit der Fans in und um Stadien gewährleistet ist", sagt eine Sprecherin.

Welche Fangruppen betroffen?

Die Auswertungen der Zis dürften auch eine Rolle bei der Auswahl der Fangruppen gespielt haben, in denen V-Leute von der Polizei seit mindestens fünf Jahren eingesetzt werden. Aus Ermittlerkreisen war zu erfahren, dass unter anderem ein Mitglied der Kölner Ultragruppe "Wilde Horde" für die Polizei Informationen sammelt. Diese Rowdys gehören zu den gewaltbereitesten in Deutschland.

Am 5. März 2012 griffen Anhänger aus dem Umfeld dieser Gruppierung an einer Raststätte einen Bus mit Fans von Borussia Mönchengladbach an. Mit Pflastersteinen und Stahlrohren schlugen die teils vermummten Angreifer die Scheiben ein, nachdem sie zuvor versucht hatten, den Bus von der Autobahn zu drängen.

Nach der Attacke durchsuchte die Polizei das Vereinsheim der "Wilden Horde" und die Wohnungen zahlreicher Verdächtiger. Der Verein entzog der Ultragruppe den Status eines offiziellen Fanclubs. Die Polizei kam schnell zu Fahndungserfolgen — wohl auch, weil der V-Mann wichtige Informationen lieferte.

Beispiele der Gewalt

Welche Gefahr von den gewaltbereiten Ultras ausgehen können, zeigen drei Beispiele.

Schalke Nach dem Bundesligaspiel Werder Bremen gegen Schalke 04 (2:3) am 5. Mai dieses Jahres wurde ein Schalke-Fan von Tätern der Bremer Szene verprügelt. Das 43 Jahre alte Opfer erlitt dabei mehrere Frakturen im Gesicht. Nach dem Drittligaspiel von Werder Bremen II in Bielefeld wurde am selben Tag ein 26 Jahre alter Werder-Fan von Arminia-Anhängern mit Tritten lebensgefährlich verletzt.

Aachen Unter den Fans des Drittligisten kam es am 7. August zu einem brutalen Übergriff. Beim Spiel in Saarbrücken sollen Aachener Ultras Opfer "eines gezielten und äußerst brutalen Angriffs rechter Gruppen aus der eigenen Fanszene" geworden sein.

Dortmund Rund um das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 (1:2) im Oktober kam es zu schweren Krawallen. Acht verletzte Polizeibeamte, erheblicher Sachschaden und insgesamt 180 in Gewahrsam genommene Randalierer, darunter 163 Schalker, waren das Ergebnis der heftigen Ausschreitungen.

Für Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sind das genügend Gründe, die den Einsatz von V-Leuten in der gewaltbereiten Fan-Szene rechtfertigen. "Es ist gut, dass wir so entschieden gegen diese Elemente vorgehen, wie wir es schon seit Monaten bei Rockern, Salafisten und Nazis tun", sagt der Gewerkschaftler, der selbst jahrelang als Führer von Hundertschaften Polizeieinsätze bei Fußballspielen leitete.

"Enorme Bedrohung"

"Von diesen kriminellen Fans, die zwar deutlich in der Minderheit sind, geht eine enorme Bedrohung aus." Beim gestrigen Fantreffen bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt, bei dem es um das umstrittene Sicherheitskonzept ging, sorgte die Nachricht von den V-Leuten für Unverständnis. Sämtliche Vertreter der Fans werteten die Maßnahme als fatales Signal der Polizei.

Nach Angaben der Zis ist die Zahl der Problemfans im deutschen Fußball in der vergangenen Saison deutlich gestiegen. Die Behörde spricht in ihrem Jahresbericht von 11.373 "gewaltgeneigten" und "gewaltsuchenden" Anhängern in der 1. und 2. Bundesliga. Gegenüber der Spielzeit 2010/11 habe die Zahl um 1688 Personen (17,5 Prozent) zugenommen.

Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in NRW, fordert angesichts dieser Entwicklung die Fans auf, die Täter in ihren Reihen zu ächten. "Wir, die Polizei, aber auch die Fans selbst müssen alles tun, um die Gewalt aus dem Sport, speziell aus dem Fußball, wieder herauszubekommen."

(RP/nbe/rm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort