Kolumne Gegenpressing Was die Liga vom SC Freiburg lernen kann

Düsseldorf · Die Fußballschule aus dem Breisgau verfolgt eine Idee - im Spiel und in der Haltung. Damit ist der SC Freiburg im Augenblick auf Platz drei der Bundesliga angekommen.

 Begeistert die Liga in dieser Saison: Der SC Freiburg.

Begeistert die Liga in dieser Saison: Der SC Freiburg.

Foto: dpa/Tom Weller

Jetzt hat der SC Freiburg auch mal wieder Bundesligaspiele verloren, gleich zwei hintereinander. Das kannten wir so schon nicht mehr. In Freiburg regt das niemanden nachhaltig auf – jedenfalls nach den Spielen nicht mehr. Trainer Christian Streich, während des Spiels ein wilder Mann, stellt nüchtern fest: „Niederlagen sind normal.“ Sein Team ist immer noch Dritter und hat immer noch die wenigsten Gegentore zugelassen (11). Und das schafft der Verein mit einem Personaletat, der sich im unteren Mittelfeld der Tabelle bewegt (2020 waren es 49 Millionen Euro). Die Bundesliga kann also ganz offensichtlich etwas von Freiburg lernen.

In erster Linie Demut. Das ergibt sich bereits aus den finanziellen Umständen. Und es ist für Freiburg verhältnismäßig leicht, sich Demut zu verordnen in einem Umfeld, das auf deutlich dickeren Geldsäcken sitzt. Manchmal kokettieren die Breisgauer mit dem Image des Außenseiters, aber das gehört zu ihrer Form des Geschäftsgebarens. Das „Mia san mia“ der Bayern heißt hier: Wir sind klein.

Daraus leitet aber niemand im Freiburger Biotop den Auftrag zum Bau einer Wagenburg im Strafraum ab. Seit der Studienrat Volker Finke in den 1990er Jahren seine bunte Studentenelf mit wegweisend modernem System das Establishment erschrecken ließ, wird in Freiburg Fußball gespielt und nicht Fußball gemauert. „Wir spielen maximal offensiv im Rahmen unserer Möglichkeiten“, sagt Streich, „wir stehen nicht in unserer eigenen Hälfte, egal gegen wen, in irgendwelchen Systematiken 40 Meter vor dem Tor, um irgendwie Konter zu fahren und aufs Glück zu hoffen. Wir bilden die Spieler so aus.“

Freiburg ist nämlich noch immer eine Fußball-Lehranstalt. In der eigenen Fußballschule, das Wort Akademie verkneifen sich die Breisgauer, ist Streich groß geworden. Dadurch wirkte er schon früh stilbildend. Und als er Cheftrainer wurde, trug er seine Erkenntnisse aus der Nachwuchsabteilung ins Profiteam.

Das gelang ihm auch deshalb, weil Freiburg Talente nach oben bringt, nach oben bringen muss, denn beim großen Monopoly kann der Klub nicht mitspielen.

Manchmal wachsen die eigenen Nachwuchsspieler über die Freiburger Möglichkeiten hinaus. Dann ziehen sie zu den größeren Klubs. Auch das finden sie im Breisgau ganz normal. In Streichs fast zehnjähriger Amtszeit erwirtschaftete der Verein einen Transferüberschuss von satten 70 Millionen Euro (Quelle: Kicker). Die hingebungsvolle Arbeit in der eigenen Schule zahlt sich also aus. Der einfache Grund: Dahinter steckt eine Idee. An der hält der Klub auch fest, wenn es mal nicht so läuft. So drehte er nach dem Abstieg 2015 die Ehrenrunde in der zweiten Liga selbstverständlich mit Trainer Streich. Nach einem Jahr war der Sportclub wieder Erstligist.

Deshalb kann die Liga von Freiburgs gelebter Beständigkeit ebenfalls lernen. Großmeister Finke blieb 16 Jahre im Amt – am Ende hatte er sogar den ewigen Brilli im Ohr abgelegt. Streich ist auf dem besten Weg, auch in dieser Hinsicht sein Nachfolger zu werden – ohne Brilli im Ohr. Dienstältester Trainer der Liga ist er schon lange, Platz zwei mit gut drei Jahren im Amt bei Union Berlin belegt Urs Fischer – noch so einer, der Außenseiter nach oben führt.

Wie Streich macht er es mit einer Spielidee und mit Mut. Das macht Schule. „Wenn ich sehe, wie zum Beispiel Bochum in Leverkusen gespielt hat, mit offenem Visier, dann finde ich das schön“, erklärt Streich. Diesen Sinn für Schönheit versucht er auf den Platz zu bringen. Auch wenn es dafür nicht immer drei Punkte gibt. Das ist ja normal (siehe oben).

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