Vogts: "Wir haben zwei Jahre verpennt" Ribbeck: Eine Amtszeit voller Missverständnisse

Rotterdam (dpa). Seine Amtszeit begann mit einer großen Posse und wird als Episode der Missverständnisse in die Geschichte des deutschen Fußballs eingehen. Die Notlösung Erich Ribbeck hat nach zwei Jahren die Not der germanischen Kicker-Gemeinde nicht gelindert, sondern noch erhöht. "Wir haben zwei Jahre verpennt", bewertet Vorgänger Berti Vogts die Ribbeck-Zeit. Er selbst hatte in neun Jahren als Bundestrainer den Verfall trotz zwischenzeitlicher Lichtblicke nicht verhindern können. Doch immerhin hatte Vogts in 102 Spielen noch 67 Siege geschafft und nur zwölf Mal verloren. Die deprimierende Bilanz von Ribbeck dagegen vor dem letzten EM- Gruppenspiel in Rotterdam gegen Portugal: Lediglich zehn Siege in 23 Spielen - dagegen sieben Niederlagen.

So wie am 10. September 1998, drei Tage nach dem Vogts-Rücktritt, die Inthronisierung des achten DFB-Cheftrainers inszeniert wurde, so gestaltete sich später über weite Strecken die praktische Arbeit: Zufällig und teilweise chaotisch. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hätte allen möglichen Kandidaten den Job angeboten, "die nicht bei drei auf den Bäumen waren", wie Bayern-Manager Uli Hoeneß die Peinlichkeiten beschrieb. Uli Stielike gab schon die ersten Interviews als vermeintlich verantwortlicher Mann, da präsentierte DFB-Präsident Egidius Braun den zuvor schon vergessenen Ribbeck. "Das ist sicherlich nicht glücklich gelaufen", gab der Teamchef später zu.

Ribbeck verstand sich als oberster deutscher Fußball-Lehrer nie als Visionär, sondern als Not-Verwalter. "Für mich zählt nur die EM- Qualifikation", beschrieb der gebürtige Wuppertaler, der von 1978 bis 1984 schon als Derwall-"Assistent" für den DFB gearbeitet hatte, seine Philosophie. Nach dem missglückten Start in Bursa gegen die Türkei (0:1) und dem glücklichen 3:1 in Moldawien reaktivierte er Altstar Lothar Matthäus - und gründete jene letztlich unheilvolle Allianz, die Entwicklungen in andere Richtungen verhinderte. Die Erfahrung erhob Ribbeck zum herausragenden Tauglichkeits-Kriterium seiner Spieler-Auswahl. So kehrten die Routiniers Christian Ziege, Mehmet Scholl und zuletzt Thomas Häßler zurück - trotzdem verhalf er auch 15 Neulingen zum Debüt im Adler-Trikot.

Aufgabenteilung ist gescheitert

Die ursprüngliche Aufgaben-Teilung zwischen "Verkäufer" Ribbeck und "Arbeiter" Stielike scheiterte zeitig. Der Co-Trainer sah sich nicht nur als Hütchen-Aufsteller, die Differenzen vor allem in taktischen und strategischen Fragen wurden immer sichtbarer. Als Ribbeck die Ideen Stielikes nicht mehr annahm, scheiterte das Duo. Doch erst unmittelbar vor der EM-Endrunde vollzog der Chef die Trennung, was dem DFB bitter aufstieß. Denn lange hatten die Funktionäre den Streit als Erfindung der Medien abgetan.

Bei der unerwünschten USA-Reise im Februar 1999, die Ribbeck noch als Erbe von Vogts übernommen hatte, stieß Ribbeck nach der peinlichen 0:3-Pleite gegen das Fußball-Entwicklungsland USA eher zufällig auf jenes Spielsystem mit drei Stürmern, das er später als seine Philosophie verkaufte. Kurzzeitige Erfolge verbuchte er damit in den Qualifikations-Partien in Nordirland (3:0), gegen Finnland (2:0) und Moldawien (6:1).

Doch ein weiteres Missverständnis stürzte den Chefcoach in eine neue Krise: Ribbeck ließ sich aus sportpolitischen Zwängen im Sommer 1999 den Confederations Cup aufdrängen. "Da ist sehr unfair mit mir umgegangen worden. Es nutzt mir nichts, wenn die Funktionäre dann dafür die Verantwortung übernehmen", beschwerte sich Ribbeck danach. Doch stark genug, die Mexiko-Reise mitten in der Saison-Vorbereitung zu verhindern, war der Teamchef nicht.

Mit einer erheblichen Portion Glück wie beim entscheidenden 0:0 in München gegen die Türkei überstand Ribbeck die Qualifikation erfolgreich, doch zu einer weiter reichenden Planung konnte sich der 63-Jährige noch immer nicht durchringen. "Mir fällt es schon schwer, 14 Tage zurück oder voraus zu blicken", gab der Ribbeck im EM- Trainingscamp auf Mallorca zu. Auf die schwerste sportliche Krise mit den negativen Höhepunkten in und nach den Spielen gegen Holland (1:2) sowie gegen die Schweiz (1:1) reagierte der "Sir" auf andere Weise: Er korrigierte seinen Führungsstil, suspendierte Chefkritiker Jens Jeremies, warf seine erprobte Taktik über den Haufen, holte mit Horst Hrubesch ("Modern ist, wenn du gewinnst") einen "Gute-Laune-Onkel" ins Boot.

Doch die Hoffnung auf Besserung erfüllt sich bei der EM-Endrunde kaum. "Anderen würde es auch nicht anders ergehen", verteidigte sich Ribbeck nach der Niederlage gegen England. Selbst gestand er das große Missverständnis seiner Amtszeit nicht ein, doch sein Frau Ulla verriet: "Hätten wir damals alle Hintergründe gekannt, hätte er vielleicht eine andere Entscheidung getroffen."

(RPO Archiv)
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