Finanzielle Nöte NRW-Regionalligisten grüßen vom Abgrund

Düsseldorf · Viele Vereine aus der Regionalliga West haben finanzielle Probleme und kämpfen ums Überleben. Sie fordern den DFB auf, endlich zu handeln. Der Verband sieht die Klubs in der Pflicht.

Ob Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, der Wuppertaler SV, die SG Wattenscheid 09 oder Rot-Weiß Oberhausen – es sind große Namen, die sich in der Regionalliga  West versammeln. Es gab Zeiten, da lieferten sich diese Mannschaften Duelle in weitaus höheren Gefilden des deutschen Fußballs. In den vergangenen Jahren sind allerdings nicht mehr Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Borussia Mönchengladbach die größten Gegner dieser Vereine gewesen. Die drohende Insolvenz schwebt wie ein Damoklesschwert über ihnen.

Immer wieder droht Viertligisten die Zahlungsunfähigkeit. Zumeist sind es ehemalige Traditionsklubs. Doch woran liegt das? „Das ist kein alleiniges Problem der Regionalliga. Eine Grundproblematik ist, dass Vereine mehr riskieren als für sie gesund wäre“, sagt Peter Frymuth, DFB-Vizepräsident und Präsident des Fußballverbandes Niederrhein, auf Nachfrage unserer Redaktion. „Das Prinzip der wirtschaftlichen Vernunft ist unabdingbar, ohne gesundes Kostenbewusstsein der Klubs geht es nicht.“

Es sind Aussagen wie diese, die Hajo Sommers, Präsident von Rot-Weiß Oberhausen, nicht gefallen. Der 60-Jährige verrät uns, dass der Etat für die erste Mannschaft, inklusive Funktionsteam, bei knapp einer Million Euro liegt. „Die Saison ist immer noch sehr lang, wenn das Geld schon weg ist. Wir müssen die Auflagen der Liga erfüllen, haben aber gleichzeitig auch den Anspruch attraktiven Fußball zu gewährleisten. Das ist eine Zwickmühle“, sagt er. „Der DFB hat den Anspruch, alles zu professionalisieren. Alle unter der 2. Bundesliga werden aber hängen gelassen.“

Häufig beginnt alles mit dem Abstieg aus der Zweitklassigkeit. Denn dort sind die Fernseheinnahmen größtenteils noch rentabel. In der 3. Liga fällt diese Einnahmequelle rapide. Eine Etage tiefer sieht es noch finsterer aus. Auch die Sponsoren wenden sich größtenteils ab. Viele Geldgeber setzen eher auf das Prinzip „Klasse statt Masse“ und bevorzugen daher Vereine aus den beiden höchsten Spielklassen. „Kein überregionaler Sponsor hat Interesse bei uns einzusteigen“, sagt Sommers. „Die Einnahmen reichen in keinster Weise.“

Doch es besteht auch Grund zur Hoffnung. Durch einen möglichen Aufstieg von Viktoria Köln, die von einem Mäzen finanzielle Unterstützung erhält, könnte die Regionalliga West in der kommenden Saison ausgeglichener werden. „Doch dann wird es ganz albern. Dann sagt sich Borussia Dortmund oder Schalke 04, dass die Reserve in der 3. Liga spielen soll“, sagt Sommers. Auch die U23-Vertretungen der Profiklubs spielen in der Regionalliga. Rot-Weiss Essen musste in dieser Saison gegen eine BVB-Reserve gespickt mit Profis wie Sebastian Rode und Shinji Kagawa antreten – und verlor mit 0:4. „Wir treten gegen lauter Millionentruppen an. Aber was soll ich machen? Die U15 hinschicken, weil die weniger Geld kostet? Oder gar nicht erst dahin fahren? Das geht nicht“, sagt Sommers. Doch eine Änderung der U23-Regelung ist nicht in Sicht. „Es ist ein fester Bestandteil unseres Spielsystems, gerade junge Spieler weiterzuentwickeln – auch wenn ich den Standpunkt der anderen Vereine durchaus verstehen kann“, sagt Frymuth.

Und dann spielt auch noch eine schier unendliche Posse eine große Rolle. Der Meister in der laufenden Saison steigt zwar direkt auf. In der kommenden Spielzeit geht es für den Erstplatzierten der Regionalliga West aber wieder in zwei Entscheidungsspiele. „Vielleicht schafft man es ja irgendwann, dass alle Meister aufsteigen – am besten ohne Lose zu ziehen“, sagt Sommers. Das hofft auch Frymuth, sagt aber auch, dass „die Vereine uns offenen und realistischen Input geben müssen.“

Alles Hinhalteparolen, wie Sommers findet. Der RWO-Präsident verrät, dass er darüber nachdenkt, seinen Klub zu einer GmbH auszugliedern. Dadurch könnte man finanziell mehr Risiko eingehen. „So würde uns im Worst Case nicht der gesamte Verein um die Ohren fliegen. Rein moralisch und ethisch finde ich es aber scheiße, auf eine Insolvenz zu bauen und andere die Zeche zahlen zu lassen.“

Laut Sommers ist eine Revolution der Regionalliga unabdingbar. „Ansonsten wird sie mit dem aktuellen Modell nicht mehr lang überleben“, sagt er. „Sie braucht mehr Attraktionsfläche, muss wahrnehmbarer werden.“ Und deshalb sendet er einen Appell – sowohl an den DFB als auch an die Profiklubs. „Fußball funktioniert in Deutschland doch nur so großartig, weil alle auf irgendeine Art und Weise mal selbst gespielt haben. Doch wenn hunderttausende von Kindern nicht mehr auf irgendeinem Ascheplatz kicken können, weil die kleinen Klubs kein Geld mehr haben, dann werden die großen Bundesligisten auch kein Event mehr verkaufen können. Wir brauchen Subventionen!“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort