RB Leipzig Euphorie in Dosen

Leipzig/Düsseldorf · RB Leipzig feiert gegen Borussia Dortmund den ersten Bundesliga-Sieg. Das Projekt Rasenballsport erhält Aufschwung.

RB Leipzig bejubelt ersten Bundesliga-Sieg der Saison 2016/17
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RB Leipzig bejubelt ersten Bundesliga-Sieg

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Ralf Rangnick gilt als kontrollierter Charakter. Am Samstagabend waren ihm seine Gepflogenheiten für ein paar Momente einfach egal. "Um es in der Fußballer-Sprache zu sagen: Es war einfach nur geil", platzte es aus dem 58-Jährigen heraus. Das 1:0 gegen Borussia Dortmund, der erste Bundesliga-Sieg in der Vereinshistorie sorgte für einen der seltenen Gefühlsausbrüche beim Sportdirektor von RB Leipzig. Damit war er nicht alleine. 42.959 Zuschauer fanden den Weg zum ersten Heimspiel in der höchsten Spielklasse - ausverkauft. Der Großteil ließ sich vom Erfolg der Heimmannschaft mitreißen. Somit droht der Alptraum aller Fußball-Traditionalisten wahr zu werden: Das Projekt Rasenballsport erhält in einer entscheidenden Phase der Entwicklung eine Euphoriespritze.

Dabei ging die Taktik von Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl voll auf. Seine erste Elf hatte die Dortmunder über zwei Drittel der Spielzeit mürbe gemacht. Mit aggressivem Zweikampfverhalten, das sich komplett auf die eigene Spielhälfte konzentrierte, raubten die Hausherren der Borussia den Nerv. Glück war auch dabei, als André Schürrle nur die Latte traf. Viel mehr klare Torchancen sprangen aber nicht heraus. Auch nicht für Leipzig. Das soll aber Methode werden: "Wir hatten nur 35 Prozent Ballbesitz. Aber das könnte charakteristisch für unser Spiel in der Zukunft sein", erklärte Hasenhüttl, der diese Philosophie schon bei seinem früheren Klub FC Ingolstadt bis zur Perfektion ausgereizt hatte.

Was für RB Leipzig auch charakteristisch ist, ist Geld. Es ist in mehr als ausreichendem Maße vorhanden. Seit Klubgründung 2009 pumpt Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz Millionen um Millionen in das Projekt, wie es die Macher selbst nennen. Neben herausragenden infrastrukturellen Bedingungen hat sich Leipzig, das auf Sicht ins europäische Geschäft will, dann auch hochkarätige Talente gegönnt.

Und genau da setzte Teil zwei des Plans von Ralph Hasenhüttl gegen Dortmund an. Als seine erste Elf den Abnutzungskampf auf die Spitze getrieben hatte, legte der Coach personell nach. Auf seiner Bank hatten es sich neben dem schwedischen Nationalspieler Emil Forsberg und Olympia-Teilnehmer Davie Selke auch Oliver Burke und Naby Keita gemütlich gemacht. Beide waren für je 15 Millionen Euro nach Leipzig gewechselt. Als erste Rendite der Investition lieferten sie nach ihren Einwechslungen die Co-Produktion zum Siegtreffer eine Minute vor Ablauf der regulären Spielzeit. Burke auf Keita, Ball in den Winkel, Jubeltraube. "Die Stimmung wurde immer besser. Die Zuschauer haben gemerkt, da geht mehr. Die Wechsel haben den notwendigen Punch gebracht", sagte Hasenhüttl.

Vor dem Spiel wurde die Begegnung als Hassduell zwischen Kommerz und Tradition heraufbeschworen. Es sollte ruhig bleiben - sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinn. Die Dortmunder Ultras hatten das Spiel boykottiert und lieber die zweite Mannschaft des BVB gegen Wuppertal unterstützt. Richtig laut wurde es so erst nach dem Abpfiff bei der Feierstunde zwischen Leipziger Mannschaft und deren Anhängern. Es war ein erstes Indiz, dass das Projekt RB funktionieren kann, dass es Emotionen hervorrufen kann. Von welcher Nachhaltigkeit die Verbindung geprägt ist, wird sich aber noch zeigen müssen. "Manchmal ist es schwerer, den nächsten Schritt zu gehen, wenn dir mal so ein großer gelungen ist", sagte BVB-Trainer Thomas Tuchel in Richtung der Leipziger.

Als Beispiel für eine gelungene Premierensaison unter kritischen Blicken kann die TSG Hoffenheim dienen. 2008 stieg Hoffenheim - ebenfalls als Kommerzklub von Mäzen Dietmar Hopp in der Kritik - in die Bundesliga auf. Damals ritt die TSG auf einer Euphoriewelle durch die Hinrunde, wurde Herbstmeister. Einer, der sich genau erinnert: Ralf Rangnick. bis 2011 Cheftrainer in Hoffenheim.

(erer)
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