Fans rennen auf den Fußballplatz Wie die Pflege eines Rasens nach einem Platzsturm aussieht

Frankfurt · Platzstürme und andere Faktoren belasten die Spielfelder und sorgen für Schäden. Zwei Experten erzählen, was der Rasen so braucht, was er gar nicht mag und welche die anspruchsvollsten Rasenplätze im Sport sind.

 7. Mai in Köln: Effzeh-Fans haben den Platz gestürmt und Rasen als Andenken mitgenommen.

7. Mai in Köln: Effzeh-Fans haben den Platz gestürmt und Rasen als Andenken mitgenommen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Donnerstagabend, 5. Mai 2022, gegen kurz vor elf. Das Halbfinalspiel im Europapokal von Eintracht Frankfurt gegen West Ham United ist soeben abgepfiffen worden. Die SGE hat durch das Tor von Rafael Borre mit 1:0 gewonnen, die Freude ist riesig. Hunderte von Fans der Eintracht stürmen nach dem Spiel ohne Erlaubnis auf den Platz. Einige von ihnen reißen sogar Teile des Rasens aus, wollen die Stücke als Andenken für sich mit nach Hause nehmen. Für die Anhänger des Vereins ist ein Platzsturm in diesem Moment das Größte, für diejenigen, die den Rasen pflegen müssen, allerdings ein Albtraum, da die Grünfläche zusätzlich belastet wird.

Gerhard Lung, Rasenforscher seit mehr als 30 Jahren, erklärt auf Anfrage dieser Redaktion, welche Auswirkungen ein Platzsturm auf den Rasen hat: „Wenn Teile aus dem Rasen gerissen oder gestochen werden, ist nicht nur die obere Rasennarbe zerstört, sondern auch die darunterliegende Rasentragschicht. Eine solche Zerstörung kann – je nach Ausmaß – dazu führen, dass nicht nur die Narbe abgefräst werden muss, sondern dass zudem die Rasentragschicht zumindest partiell neu aufgebaut werden muss.“

André Kastigen vom Sportplatzbau Heiler erklärt, was nach einem Platzsturm getan werden muss, damit der Sportplatz schnell wieder fit ist. Er und sein Team kümmern sich um die Pflege von Stadionrasen, unter anderem von Arminia Bielefeld. „Man kann natürlich anfangen, rumzueiern und einzelne Stücke austauschen. Oder man macht in die Stellen, an denen die Stücke rausgerissen sind, eine sogenannte Rasentragschicht rein, das ist ein spezielles Gemisch, und dann sät man das ein und hofft, dass es in sechs Wochen wieder grün ist und man wieder Fußball spielen kann. Ich glaube aber, dass die in Frankfurt einen neuen Rasen brauchen“, sagt er unserer Redaktion.

Um einen neuen Rasen herum kommt man dagegen in Köln. Dort waren nach dem 33. Spieltag ebenfalls tausende Effzeh-Fans auf den Platz gestürmt. Trotz der 0:1-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg rannten sie auf den Rasen, weil die Teilnahme an der Conference League feststand.

Am gleichen Wochenende gab es so einen Vorfall auch auf Schalke. Die Fans in Gelsenkirchen freuten sich über den Aufstieg in die Erste Liga. Auch dort wird ein neuer Rasen benötigt. „Wir haben einen neuen Rasen bestellt“, sagte Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder am Freitag. Bis zum Start der neuen Bundesliga-Saison im Juli sollte dieser aber fertig sein.

Bis dahin haben die Greenkeeper des Vereins noch Zeit, den Rasen zu pflegen. Arnd Peiffer, einer der drei Inhaber des gleichnamigen Rasenunternehmens aus Willich, erklärt auf Anfrage unserer Redaktion, wie das geschieht. „Die herausgerissenen Stücke werden durch neuen Rasen ersetzt. Dazu müssen die Gräser durch die hohe Belastung wieder mit Nährstoffen und Pflanzenhilfsstoffen aufgepäppelt werden. Dafür muss der Rasen natürlich gesäubert werden, Müll und auch andere Verunreinigungen des Rasens müssen entfernt werden.“

Das Schwierigste daran, einen Fußballplatz zu pflegen, sei, dass „unabhängig von der Jahreszeit, der Belastung oder den baulichen Bedingungen ein möglichst hochwertiges Spielfeld zur Verfügung gestellt werden muss“, ergänzt Peiffer. „Gerade im Winter, ohne Rasenwachstum ist dies bei den heutigen engen Spielkalendern eine Herausforderung.

Zusätzlich gibt es in den meisten modernen Stadien eher ein wachstumsproblematisches Mikroklima mit wenig Sonnenlicht zur Photosynthese und ohne Windbewegungen.“

Bei der Pflege von Fußballstadien gibt es allerdings Unterschiede, wie der Rasenexperte Kastigen weiß. „Wenn man einen Rasen in Frankfurt pflegt, pflegt man den anders als in Mainz oder in Dortmund. Jedes Stadion hat ein anderes Klima, zum Beispiel in München oder in Kiel.“

Die Allianz-Arena in der bayerischen Hauptstadt setzte „lange Zeit auf einen Mix aus Kunstrasen und natürlichem Rasen“, erklärt Lung, „verwendet aber heute wieder rein natürlichen Rasen. Die Architektur der Stadien lassen aufgrund der hohen Gebäude kaum Sonnenlicht auf das verhältnismäßig kleine Spielfeld. Hier wird oft mit künstlicher Lichtbestrahlung nachgeholfen. Daher wird ab Herbst bis in den Frühsommer, teils sogar ganzjährig, eine Spielfeldhälfte 36 Stunden lang künstlich bestrahlt, sodass das natürliche Tag-Nacht-Licht-Verhältnis des Rasens gestört ist.“

Rasenflächen in Fußballstadien sind allerdings nicht die einzigen Grünflächen, die anspruchsvoll in der Pflege sind. Nach einer Recherche der Rasenfirma Halm, die die teuersten und anspruchsvollsten Rasenflächen der Welt aufgelistet hat,

gehören dazu auch Parkanlagen, Tennis- oder Golfplätze.

So bedarf der Centre Court in Wimbledon beispielsweise einer hohen Pflege, wie Lung erklärt: „Die Beanspruchung des Rasens auf dem Tenniscourt ist stärker als beim Fußball, da die Spieler immer wieder dieselben Stellen abtreten. Der Rasen ist robust, denn er bekommt vor dem Turnier viel Erholung. Trotzdem wird über den Einbau eines Hybrid-Rasens nachgedacht, eine Kombination als Natur- und Kunstrasen. Außerdem muss in England für ein gutes Entwässerungssystems gesorgt sein, da es ein niederschlagreiches Land ist. Sowohl bei Dauerregen als auch bei sturzflutartigen Regenfällen muss das Wasser verlässlich von der Oberfläche abgeleitet werden, da der Platz sonst unbespielbar ist.“

Der Fußballrasen in Katar benötigt dagegen eine enorme Menge an Wasser: Durch die hohen Temperaturen in dem Wüstenstaat, die schnell mal auf 50 Grad Celsius steigen können, wird „in Katar auf technische Belüftungs- und Kühlungssysteme gesetzt, die der Luft beim Zirkulieren helfen“, sagt Lung. In Deutschland ist die Kühlungsberegnung („Syringing“) weit verbreitet. Dabei lässt man feinen Sprühnebel verdunsten, der den Rasen kühlt. Den gleichen Effekt kann man zuhause auch gut mit dem Rasensprenger erreichen.“

Auch die Grünflächen vor dem Buckingham Palace in London sind sehr besonders. „Im Vergleich zu anderen königlichen Parks kommt dem Rasen im Palastgarten der Queen allerdings zugute, dass der Öffentlichkeit der Zugang verwehrt ist. Die milden Temperaturen, viel englischer Regen, wenig Beanspruchung und ein starkes Gärtnerteam sind die besten Voraussetzungen für sattgrünen Rasen im Garten.“

Einen großen Vorteil hat das exklusive Gelände der Queen auch: Sie muss nicht so schnell befürchten, dass Fans ihren heiligen Rasen stürmen.

Welche Rasenflächen weltweit zu den teuersten und anspruchsvollsten in der Pflege gehören, lesen Sie hier.

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