Hooligan Warnecke unter Druck Nivel-Prozess vor dem Urteil

Saint-Omer (rpo). Für den deutschen Hooligan Markus Warnecke wird der Prozess wegen des brutalen Überfalls auf den Gendarmen Daniel Nivel bei der WM 1998 in Frankreich immer brisanter. Obgleich er angibt, lediglich einen Stuhl nach dem Polizisten geworfen zu haben, droht ihm eine lange Haftstrafe.

Wenn am kommenden Dienstag wie geplant der Urteilsspruch in Saint-Omer fällt, wird der 30-jährige Hannoveraner nach Auffassung von Prozessbeobachtern kaum als freier Mann den Saal verlassen können.

Der Angeklagte selbst hat gestanden, während der Fußball-WM in Lens Gewalt gegen Polizeibeamte angewandt zu haben. Warnecke bestritt aber, einer der Hooligans gewesen zu sein, die den seit der Tat schwer behinderten Nivel fast zu Tode prügelten.

Die Gewaltorgie deutscher Fußball-Rowdys nach dem WM-Spiel zwischen Deutschland und Jugoslawien in Lens am 21. Juni 1998 löste heftige Reaktionen, Bestürzung und Entsetzen aus. Die Fotos mit den Gewalttätern, die auf den damals 43- jährigen Gendarmen einprügelten, als er schon wehrlos in seiner Blutlache am Boden lag, erschütterten die Öffentlichkeit und sind auch fast drei Jahre nach der Tat unvergessen.

"Ich habe nicht auf den Gendarmen eingeschlagen und ihn mit Füßen getreten", betonte der Angeklagte mehrmals. Er räumte aber ein, einen Stuhl gegen Polizeibeamte geworfen zu haben. Allein wegen einer Gewalttat gegen Polizeibeamte müsse man in Frankreich mit schweren Strafen rechnen, sagte ein Justizangehöriger. Selbst Warneckes deutscher Anwalt, Eberhard Nicolai, ist in dieser Hinsicht für seinen Mandaten pessimistisch. Er sieht aber eine Beteiligung Warneckes an der Tat gegen Nivel als nicht erwiesen an. "Warnecke ist auf keinem der Fotos abgebildet, die den Tathergang zeigen", sagte Nicolai.

Die Hooligan-Montur hat der Angeklagte längst abgelegt, der in Hannover einen Tattoo-Laden betrieb und im Milieu "Maxe, der Szenetätowierer" genannt wurde. Stattdessen präsentiert er sich im Anzug mit kurzer modischer Frisur. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Der Ingenieurssohn war eine halbe Stunde nach der Tat mit zwei Promille Alkohol im Blut festgenommen worden. Seitdem saß er in Loos bei Lille in Untersuchungshaft.

Die Anklage stützt sich auf belastende Aussagen zweier französischer Gendarmen, die der Schlägerbande entkommen konnten. Vor allem wurde Warnecke von einem zwölfjährigen Jungen beschuldigt, der die Tat aus nächster Nähe gesehen hat. "Er hat eine Holzlatte geworfen und hat den Polizisten geschlagen und mit Füßen getreten", sagte der Junge. Auf die Fragen des Richters, ob er sich denn noch heute so genau erinnern könne, erklärte der Junge: "Er ist direkt an mir vorbeigelaufen und hat mich angeguckt."

Der zur Tatzeit Neunjährige hatte bereits im deutschen Nivel- Prozess ausgesagt. Im November 1999 waren vier deutsche Hooligans in Essen zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren verurteilt worden. Allerdings haben mehrere Zeugen Warnecke bisher entlastet, zuletzt der österreichische Fotograf Walter Sauer, dessen Bilder von der Tat um die Welt gingen. Warnecke habe nicht auf Nivel eingeschlagen. "Da bin ich mir sicher", sagte der Fotograf.

In Frankreich und in Deutschland hatte der Überfall eine Welle des Mitgefühls mit dem Gendarmen und seiner Familie ausgelöst. Sechs Wochen lang lag der Polizist im Koma. Er kann kaum sprechen, seine Frau Lorette hat es inzwischen gelernt, seine Wünsche zu erraten. In den französischen Medien klagt sie: "Sein Leben wird nie mehr so sein wie früher."

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort