Neuer DFB-Präsident Niersbach-Nachfolger Grindel muss sich beweisen

Frankfurt/Main · Der neue DFB-Boss Grindel hat große Ziele. Er will den durch die WM-Affäre in seinen Grundfesten erschütterten Verband neu aufbauen. Die üblichen Konflikte zwischen Profis und Amateuren sind aber spürbar. Den größten Applaus bekommt ausgerechnet Grindels Vorgänger.

Reinhard Grindel zum neuen DFB-Präsidenten gewählt
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Grindel zum neuen DFB-Präsidenten gewählt

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Im kleinkarierten weißblauen DFB-Hemd saß Reinhard Grindel auf dem Präsidentenpodium und schaute zufrieden hinab in den Kongresssaal mit dem vielsagenden Namen "Harmonie". Nach einer Rede im Stile eines routinierten Politprofis hatten ihn die Delegierten des außerordentlichen Bundestages mit überwältigender Mehrheit zum neuen Chef des Deutschen Fußball-Bundes gewählt. Große Gefühlsregungen waren bei dem neuen starken Mann des durch die Sommermärchen-Affäre so erschütterten Weltmeister-Verbands aber nicht zu spüren.

Nüchtern und sachlich zeigte sich Grindel und formulierte gleich ganz große Ziele: "Ich wünsche mir, dass wir 2016 Europameister werden, die Weichen stellen, um die EURO 2024 zu bekommen, den DFB schlagkräftiger machen und in Zeiten des demografischen Wandels die Zahl unserer Mannschaften stabil halten", sagte Grindel.

Reinhard Grindel - ehemaliger DFB-Präsident
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Das ist Reinhard Grindel

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Aber: Andere Aufgaben werden die sieben Monate bis zur Wiederwahl, die schon am 4. November beim nächsten ordentlichen Bundestag in Erfurt notwendig wird, dominieren. Die Aufarbeitung der WM-Affäre, die ihn mit 54 Jahren überhaupt erst ins Amt als jüngsten DFB-Präsidenten seit 90 Jahren spülte und das traditionell schwierige Verhältnis zwischen Amateur- und Profilager waren schon bei der Veranstaltung im Congresszentrum der Frankfurter Messe die alles überlagernden Themen.

Freiburg stimmt gegen neuen DFB-Präsidenten

"Wir brauchen eine gemeinsame Spielauffassung, wir brauchen zukunftsweisende Konzepte und wir brauchen den Zusammenhalt zwischen der Elite des Fußballs und unserer Basis", sagte Grindel in seiner Wahlrede. "Es gilt bis heute: Wir können an der Spitze nur erfolgreich sein, wenn es an der Basis stimmt." 250:4 Stimmen bedeuteten für den von den Amateuren gestützten Grindel ein ordentliches Resultat. Er wisse nicht, woher die Gegenstimmen kamen, beteuerte er - aus dem Profilager, das war allen Beobachtern klar. Wenige Stunden später bestätigte Zweitligist SC Freiburg, gegen Grindel gestimmt zu haben.

Er muss noch überzeugen, dass er ein Mann des Ausgleichs ist, der die Gräben im deutschen Fußball so klein wie möglich halten kann. Die geforderte Reform des DFB-Pokals, die Verhandlungen mit der Liga zum neuen Grundlagenvertrag, da muss Grindel seine Kompetenzen beweisen und dem wenig schmeichelhaften Ruf als Präsident auf Probe entgegentreten. Der Bundestag soll als Wendepunkt in die DFB-Geschichte eingehen.

Den größten und längsten Applaus hatte ausgerechnet sein Vorgänger Wolfgang Niersbach bekommen. Menschlich freue ihn dies, sagte Grindel. In der Sache bleibe aber bestehen, dass Niersbach in der WM-Affäre gravierende Fehler gemacht habe. Ob Grindel jemals die Popularitätswerte von Niersbach erreichen wird, muss ernsthaft bezweifelt werden.

Bayern hoffen auf gute Zusammenarbeit

Der FC Bayern München erhofft sich als einflussreichster deutscher Fußballverein mit dem neuen DFB-Präsidenten eine ähnlich fruchtbare Zusammenarbeit wie mit dessen Vorgänger.

"Herr Grindel hat sich den Delegierten sehr gut präsentiert. Seine Worte haben mir gefallen, und ich wünsche mir jetzt, dass als Folge der Wahl Reinhard Grindels Profis und Amateure harmonisch miteinander umgehen, so, wie das auch während der Amtszeit von Wolfgang Niersbach der Fall war", sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des deutschen Rekordmeisters. "Ich möchte Reinhard Grindel im Namen von Bayern München zur Wahl gratulieren", äußerte Rummenigge.

Er wolle einen "neuen DFB bauen", beteuerte Grindel. An seiner Seite werden dabei Stephan Osnabrügge als sein Nachfolger als Schatzmeister und Friedrich Curtius - zuletzt Büroleiter von Niersbach - als Generalsekretär stehen. Ohne jede Gegenstimme fuhren beide noch bessere Ergebnisse als ihr Chef ein.

Die langen Schatten der WM-Affäre bestimmten die außerordentliche Versammlung. Die schwierige Beziehung zwischen Amateuren und Profis schien aber sogar noch akuter. Ligapräsident Reinhard Rauball kritisierte nochmals die Art und Weise der Kür von Grindel zum Kandidaten. "Es hat uns irritiert, wie ein Kandidat ohne vorherige Diskussion ausgerufen wurde. Wir wären gerne einbezogen worden", rügte Rauball. Damit setzte er einen Kontrapunkt zu allen Bemühungen, das Verhältnis harmonischer zu gestalten.

Rauballs Kollege als bisheriger Interimschef, Rainer Koch, konnte bei der Kür des Kandidaten Grindel im November kein Fehlverhalten des Amateurlagers entdecken. "Es lag und liegt uns fern, über die Köpfe des Ligaverbandes hinweg, wichtige Entscheidungen zu treffen."

In seiner Rede betonte er zudem die großen Herausforderungen des Verbandes nach der WM-Affäre. "Hinter uns liegen Monate, die uns in den Grundfesten erschüttert haben", sagte Koch. Dennoch sei es gelungen, den "beinahe entgleisten DFB in den Schienen zu halten und neue Gleise zu legen."

Man werde alles daran setzen, "mögliche Steuernachforderungen so gering wie möglich ausfallen zu lassen", betonte Koch. Wegen einer falsch deklarierten Rückzahlung von 6,7 Millionen Euro an den Kreditgeber Robert Louis-Dreyfus über die Fifa im Zuge der Bewerbung für die Fußball-WM 2006 droht dem DFB weiterhin eine hohe Nachforderung der Finanzbehörden.

Diese Altlast wird auch Grindel beschäftigen. Sein Mandat als CDU-Bundestagsabgeordneter wird der frühere Journalist niederlegen, allerdings nicht sofort, wie er überraschend verkündete.

Bewerbung für die EM 2024 als "Leuchtturmprojekt"

Das "Leuchtturmprojekt" ist für Grindel die Bewerbung für die EM 2024. Auch hierfür müssten die Schatten des WM-Skandals beseitigt werden. "Die tiefgreifende und nachhaltige Aufklärung der Affäre rund um das Organisationskomitee der WM 2006 war und ist die notwendige Voraussetzung, um sich mit neuer Integrität für dieses Turnier bei der Uefa bewerben zu können", sagte Grindel.

Mit mehreren Strukturreformen will er die Konsequenzen aus der WM-Affäre ziehen und den Verband neu ausrichten. So soll es bis November eine DFB-Ethikkommission geben. Zudem sollen die operativen Geschäfte von den hauptamtlichen Verbandsmitarbeitern - statt wie bisher vom DFB-Präsidium - geführt und die Marketingaktivitäten in eine Gesellschaft ausgelagert werden.

(old/dpa)
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