"Ich habe etwas gegen die Pseudostars" Netzer kritisiert Gehaltsentwicklung in der Bundesliga

Hamburg (rpo). Für Günter Netzer ist die Gehaltsentwicklung in der Bundesliga nicht mehr zu stoppen und wird einige Vereine in den Ruin treiben. Im Gegensatz zu vielen anderen Experten kritisiert das Fußball-Idol aber nicht die Millionengehälter der Topstars.

"Die Superspieler sollen noch mehr Geld verdienen, von mir aus das Doppelte", sagte der 57-Jährige bei einer Podiumsdiskussion in Hamburg, "aber ich habe etwas gegen die Pseudostars." Der Durchschnittsprofi in der ersten Liga verdiene zu viel und bringe die Vereine an den Rand des Konkurses.

Die Einstellung des ehemaligen Nationalspielers ist aus der Einsicht gewachsen, dass es in der Bundesliga keine Solidarität zwischen den tonangebenden Vereinen geben wird. "Es gibt im Moment keine Mittel, die Millionen-Spirale zu bremsen", meinte Netzer. Eine Gehaltsobergrenze für Topverdiener sei eine Möglichkeit, aber freiwillig würden sich die Bundesligisten niemals einigen, ist seine Einschätzung. Erst wenn die Einnahmen aus dem Fernsehbereich zurückgingen, gebe es ein Umdenken: "Dann bekommen wir die größten Probleme."

Uwe Seeler will die Gegebenheiten nicht hinnehmen. "Es gibt einen Werteverfall im Profi-Bereich, den aber nur der Fußball selbst lösen kann. Da ist vor allem die Liga gefordert", sagte der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft. Verantwortlich für die menschliche Fehlentwicklung vieler Sportler nach kurzfristigen Höchstleistungen macht Netzer auch die Medien: "Sie werden derartig in die Höhe geschossen, dass sie manchmal selbst glauben, wie toll sie sind." An etlichen Beispielen habe man gesehen, dass der anschließende Fall umso schmerzlicher sei, sagte der Fernsehkommentator auf der Diskussionsveranstaltung zum Thema "Sportidole - nur noch Stars und keine Vorbilder mehr".

Das Fußball-Geschäft sei so schnelllebig, dass Leistungssportler heutzutage kaum noch die Zeit hätten, zu einem Leistungsträger und auch Vorbild zu reifen. "Wir haben noch eine Entwicklungschance gehabt, da standen nicht fünf Spieler bereit und lauerten auf meine Position, wenn ich drei Mal schlecht gespielt habe", meinte der frühere Mönchengladbacher, für den die Glaubwürdigkeit eines Profis zu den wichtigsten Eigenschaften gehört. "Ich verstehe manchmal selbst nicht, warum ich im Fernsehen immer noch so gut ankomme. Ich kriege das Grausen, wenn ich mich selbst sehe", meinte Netzer, der aber auch gleich eine Erklärung fand: "Ich bin eben authentisch."

Nicht nur Titel machten Sportstars zu Idolen. Bestes Beispiel sei Seeler, der nie Weltmeister geworden ist. "Idole werden nicht künstlich gemacht, sie hinterlassen Spuren", so Netzer. "Alles, was ich gemacht habe, habe ich mit Herz und Seele gemacht. Und dabei bin ich immer mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben", so Seeler, der sich wünscht, dass mehr Fußballer sich bereit erklären, echte Vorbilder zu sein. "Kein Fan kann sich heute noch mit den Stars identifizieren. Wenn man sich an einen gewöhnt hat, ist er schon wieder weg", meinte der Hamburger, der einen Leben lang für den HSV spielte.

(RPO Archiv)
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