DFB-Team von Spanien gedemütigt Bundestrainer Löw nach Debakel in Erklärungsnot

Sevilla · Die deutsche Nationalmannschaft muss in Sevilla eine historische Niederlage hinnehmen. Joachim Löw reagiert konsterniert auf das 0:6-Debakel. Die Kritik am Bundestrainer reißt nicht ab. Auch das aussortierte Weltmeister-Trio bleibt ein Thema.

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Foto: dpa/Daniel Gonzales Acuna

Joachim Löw zog seine schwarze Corona-Schutzmaske über Mund und Nase, schob seinen Stuhl zurück und verschwand ratlos vom Podium im Estadio Olímpico de La Cartuja. Die drängenden Fragen nach dem historischen 0:6-Debakel gegen Spanien verfolgten den Bundestrainer in eine finstere Nacht in Sevilla. Wie weiter Richtung Europameisterschaft nach diesem Desaster? Wirklich weiter ohne Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels?

Sechs Nackenschläge hatten die Spanier der 90 Minuten völlig hilf- und orientierungslosen deutschen Nationalmannschaft verpasst - und damit zweieinhalb Jahre nach dem WM-Vorrunden-K.o. längst nicht verheilte Wunden in der deutschen Fußball-Seele wieder aufgerissen.

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Statt den erhofften Gruppensieg in der Nations League als Symbol der Rückkehr zu höchster Wettbewerbsfähigkeit zu feiern, steht Löw nach dem sportlichen Untergang in Andalusien plötzlich vor den Trümmern seiner ohnehin kritisch begleiteten Aufbauarbeit. Schonungslos zerstört vom alten Rivalen Spanien. Und das nur sieben Monate vor dem EM-Start gegen Weltmeister Frankreich. „Es war ein Abend, an dem uns absolut nichts gelungen ist. Wir sind enttäuscht und absolut sauer“, sagte Löw. „Wir hatten keinen Zugriff, keine Zweikampfhärte, kein Zweikampfverhalten. Wir sind irgendwo rumgelaufen - hatten keine Organisation, keine Nähe zum Mitspieler, keine Kommunikation“, monierte der Bundestrainer.

Die zutreffende Spielanalyse war das Eine, der Blick in die Zukunft das ungleich Schwerere. „Wir haben gedacht, dass wir einen Schritt weiter sind nach den letzten Spielen und diesem Jahr, das insgesamt schwierig war. Wir haben jetzt einen richtigen Rückschlag hinnehmen müssen. Wir müssen erstmal schauen, wie wir im Trainerstab damit umgehen. Mit den Spielern haben wir leider keine Möglichkeit zu arbeiten, zu trainieren oder ein Spiel zu machen“, sagte Löw.

Vier Monate pausiert die Nationalmannschaft. Erst im März geht es mit einem Länderspiel-Dreierpack zum Start der WM-Qualifikation weiter. Die lange Auszeit kann für den 60-Jährigen aber auch ein Vorteil sein. Schnell werden Bundesliga, Champions League und auch die Corona-Wirren wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken.

Erst einmal wird Löw die Kritik aber so heftig entgegenschlagen, wie zuvor der spanische Angriffswirbel seinem unglücklichen Rekordtorwart Manuel Neuer. Schon Minuten nach dem Schlusspfiff musste ihm Oliver Bierhoff verbal zur Seite stehen. „Das Vertrauen ist da, daran ändert auch dieses Spiel nichts“, versicherte der DFB-Direktor. „Ob ich mir Sorgen um meinen Job machen muss, müssen sie Andere fragen“, sagte Löw nach seinem 189. Länderspiel als verantwortlicher Chefcoach.

Eine Demission des Weltmeistertrainers von 2014 erscheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, obwohl auch Bierhoff als sein Vorgesetzter schon vor dem Spiel mit Interview-Aussagen eine gewisse Distanz aufgebaut hatte. Auch im DFB-Führungszirkel könnten Fragen gestellt werden, ob die Symbiose Löw-Bierhoff nach 16 gemeinsamen Verbandsjahren die nötige Reformkraft und Krisenfähigkeit besitzt.

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„Eine historische Tracht Prügel“

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„Ich weiß, das solche Spieler wie Jérôme Boateng oder Thomas Müller das Triple gewonnen haben mit dem FC Bayern München. Sie sind die beste Mannschaft Europas. Die spielen in der ersten Elf, die haben Qualität. Das sind deutsche Spieler. Warum nicht für die Nationalmannschaft?“, stellte der WM-Held von Rio eine rhetorische Frage. Doch hätte das Ü30-Trio in Sevilla geholfen? Auch Neuer und Toni Kroos waren als noch aktive Ex-Weltmeister nicht in der Lage, den sportlichen Untergang abzuwenden.

Die historischen Fakten der höchsten Niederlagen seiner Amtszeit werden Löw dauerhaft begleiten. Nie kassierte eine DFB-Elf in 112 Jahren Länderspielgeschichte eine höhere Pflichtspielniederlage. Nur 1909 beim 0:9 gegen England und beim 3:8 gegen Ungarn im WM-Gruppenspiel 1954 gab es mehr Gegentore. Sepp Herberger gelang damals schon zwei Wochen später der Titelcoup gegen den gleichen Gegner. Ob Joachim Löw dies in sieben Monaten gegen Spanien auch gelingen kann, scheint derzeit mehr als fraglich.

(dpa/old)
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